Im Modul „Der Mensch als soziales Wesen“, was im Grunde mit einem Schnellkurs in den Grundlagen der Psychologie zu vergleichen ist, müssen wir als Teilkompetenznachweis einen biographischen Bericht schreiben. Dabei sollen wir gezielt Theorien und Modelle aus der Psychologie auf unser Leben und unsere Persönlichkeit anwenden. Zuerst fand ich den Auftrag super, dann erschienen mir bei genauem Hinsehen gewisse Fragen sehr intim, was mich schliesslich zu der Frage führte, wie viel ein Mensch in einem mehr oder weniger professionellen Umfeld von sich preisgeben darf und soll. Hat ein Dozent das Recht, mein Erleben und Verhalten mit einer Note zu bewerten?
Es gibt in meiner Vergangenheit nichts, wofür ich mich schämen müsste oder was man anderen nicht zumuten könnte, aber nicht alles, was mich als Person ausmacht und mich in meiner Entwicklung geprägt hat lässt sich auf zwei Seiten zusammenfassen.
Jeder von uns hat seine Leichen im Keller. Die einen sind noch frisch, andere schon fast vollständig wieder zu Staub geworden. Wenn wir uns zum ersten Mal begegnen, zeigen wir uns meist von unserer Schokoladenseite. Erst beim näheren Kennenlernen beginnt der Putz zu bröckeln, Schwächen offenbaren sich und der Einfluss der eigenen Vergangenheit auf die Gegenwart lässt sich nicht länger verbergen.
Ich kann diesen Bericht im Sinne einer Erstbegegnung schreiben, doch dann sind meine Aussagen entweder erfunden oder sie bleiben oberflächlich. Wenn ich ihn so schreibe, als ob ich ihn einer guten Freundin zum Lesen geben würde, dann kann ich in die Tiefe gehen und mich selber ernsthaft reflektieren. Die Freundin kennt mich schon lange und kann meine Gedankengänge mit meiner Persönlichkeit verknüpfen und in meine Biographie einordnen. Der Dozent kann das nicht.