Alltagsgeschichten

Sieben Minuten

Hochschulen sind die grössten Singlebörsen überhaupt. Parship, Elite Partner und Co. können da einpacken, weil man nirgends sonst so viele Leute im gleichen Alter und den etwa gleichen Interessen auf einem Haufen findet. Gefunkt hat’s bei mir trotzdem noch nie.

Also haben eine Freundin und ich all unseren Mut zusammengenommen, um unserem Glück etwas auf die Sprünge zu helfen. Wir haben uns zum Speed Dating an der Universität angemolden.

Zum ersten Mal habe ich die Entscheidung schon kurz nach dem Abschicken der Anmeldung bereut. So ein Formular ist schliesslich schnell ausgefüllt, aber dann wirklich hinzugehen ist eine ganz andere Sache.

So richtig blöd fand ich die Idee, als ich zwei Stunden vor dem Dating vor dem Kleiderschrank stand und absolut nichts fand, was ich hätte anziehen wollen.Ein wahres Dilemma, wo ich doch eigentlich so viele Klamotten habe, dass ich immer wieder längst vergessene Stücke in der hintersten Ecke des Schranks finde. Aber an so einem Tag sieht in den eigenen Augen einfach alles blöd aus.

Schliesslich war ich dann doch da, viel zu früh wie immer, hab brav mein Namensschildchen auf meine Bluse geklebt und die „Dating-Karte“ ausgefüllt. Auf der hält man Angaben zu seiner Person fest und kreuzt diejenigen Männer an, bei denen man sich vorstellen könnte, sie wieder zu sehen.

Da einige der Herren gekniffen haben, waren schliesslich acht Frauen und fünf Männer anwesend. Für uns Damen auf jeden Fall ein Vorteil, da wir die grössere Auswahl hatten.

Der erste, A., hat mir den Einstieg ziemlich leicht gemacht und mir etwas von der anfänglichen Nervosität nehmen können. Er war sehr zugänglich und wir kamen leicht miteinander ins Gespräch.

Mit D. habe ich mich anschliessend darüber unterhalten, welche der zur Verfügung stehenden Snacks aus ernährungsberaterischer Sicht am gesündesten  sind und wieso um Himmelswillen man auf die Idee kommt, sich mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug zu stürzen.

Bei C. habe ich vor allem seine waaaaaahnsinnig blauen Augen gesehen und während er an der Anzahl seiner Klimmzüge arbeitet, jogge ich weiter durch die  Gegend, damit er mich beim nächsten Halbmarathon nicht schon kurz nach dem Start überholt.

Kandidat zwei, seinen Namen habe ich leider vergessen, und ich hatten uns so gar nichts zu sagen und bereits nach anderthalb Minuten haben wir uns beide hilfesuchend zur viel zu langsam tickenden Uhr umgedreht. Wenigstens haben wir gegen Ende des Gesprächs herausgefunden, dass wir beide gerne Kaffee trinken.

S. ging sofort aufs ganze und hat mich gleich zu Beginn des Gesprächs gefragt, was mir in einer Beziehung denn besonders wichtig sei. Ansonsten blieben die Unterhaltungen allesamt auf einer eher platonischen Ebene, sprich Studium, Hobbies, Herkunft etc.

G. war zwar optisch überhaupt nicht mein Typ und ich glaube, wir haben auch sonst nicht viel gemeinsam, trotzdem war die Unterhaltung mit ihm lustig und kurzweilig.

Nach gut 70 Minuten war der Spass dann auch schon vorbei und ich hatte auf meiner Karte den einen oder anderen Kandidaten angekreuzt, mit dem ich mir durchaus vorstellen könnte, mal eine längere Unterhaltung zu führen. Jetzt warte ich gespannt auf den Brief, der mir verraten wird, ob einer der „Auserwählten“ auch meine Nummer haben wollte.

Fazit: Von den sieben Minuten wirklich wichtig sind eigentlich nur die ersten sieben Sekunden, denn bereits da entscheidet sich, ob man sich überhaupt auf ein Gespräch mit dem Gegenüber einlassen und auch etwas von sich preisgeben mag oder nicht. Wenn das Gespräch allerdings gut läuft, fängt es erst nach den sieben Minuten an, so richtig interessant zu werden, und man möchte am liebsten noch sitzen bleiben, anstatt den Tisch zum nächsten „Date“ zu wechseln.

Das Speed-Dating war sehr kurzweillig und ich habe in kurzer Zeit einiges über Menschen erfahren, mit denen ich mich vermutlich sonst nie unterhalten hätte. Für eher schüchterne Menschen bietet es den idealen Rahmen, mit Vertretern des anderen Geschlechts in Verbindung zu kommen, da niemand von sich aus gezielt zu dem anderen hingehen und ihn ansprechen muss. Man setzt sich gemeinsam an einen Tisch und schaut, was passiert. Zu verlieren hat man nichts (wobei ich noch nicht weiss, wie ich reagiere, wenn ich erfahre, dass mich gar keiner angekreuzt hat) und man gewinnt auf jeden Fall eine neue Erfahrung und die eine oder andere gute Story dazu.

Da meine Freundin und ich nicht am selben Abend da waren, haben wir uns nach meinem Dating gemütlich in ein Kaffee gesetzt und unsere Begegnungen ausführlich analysiert. Allein schon deswegen war es der Ausflug auf den offenen Singlemarkt wert.

2 Gedanken zu „Sieben Minuten“

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