Gestern war ich mit einer ehemaligen Mitstudentin zum ersten Mal am Zürcher Theaterspektakel. Das Festivalgelände auf der Landiwiese bildet vor der Kulisse des Zürichsees eine Art Paralluniversum, in welchem Strassenkünstler und Artisten ihr „Unwesen“ treiben und Jung und Alt mit ihrem Können verzaubern. Zahlreiche Zelte und provisorische Bars laden zum Essen und trinken ein, wobei durch das internationale kulinarische Angebot bestimmt für jeden etwas dabei ist.
International sind auch die Künstler: Diejenigen, die sich uns gestern vorgestellt haben, stammten aus verschiedenen Teilen Südamerikas, Italien, Frankreich und Australien. Einige arbeiten schon länger zusammen, andere hatten sich erst am Vorabend kennengelernt und musizieren nun zusammen. Wo sonst gibt es so etwas noch? Das Publikum bestand aus zahlreichen Familien mit (kleinen) Kindern, jungen Erwachsenen und auch Vertretern aus der älteren Generation. Bunt gemischt und in friedlicher Eintracht. Super Sache!
Von „Kunst“ verstehe ich in der Theorie zugegebenermassen nicht besonders viel. Entweder etwas gefällt mir oder eben nicht. Eine Darbietung hat mich jedoch ganz besonders verstört: Das Queer Art Collective aus Istanbul stellte sich seltsam bis schlecht gekleidet auf die Bühne und machte eine halbe Stunde lang…nichts. Naja, jedenfalls fast nichts. Sie kündigten ihren Auftritt damit an, dass sie grandios scheitern würden und das taten sie auch. Und wie! Big fail! In ihren seltsamen Klamotten und teilweise halb nackt versuchten sie sich im Jonglieren mit Keulen, dem Balancieren eines Balls auf dem Arm oder Hula Hoop. Ohne jeglichen Erfolg. Die Darbietung einer der schrillen Damen bestand sogar nur darin, sich auf einem Bürostuhl entlang eines Seils über die Bühne zu ziehen. Hin und her und hin und her. Wieder und wieder und wieder.
„Was bitteschön soll das?“, fragte ich mich und fand es echt unverschämt, dass sie dafür am Ende auch noch Geld wollten. Wegsehen konnte ich trotzdem nicht. Vielleicht passiert ja doch noch was? Das kann doch nicht alles gewesen sein?
Auch wenn ich von dieser Art von „Kunst“ nach wie vor nichts halte, so muss ich zugeben, dass die Darbietung in mir und meiner Freundin etwas ausgelöst hat: Weil wir beim besten Willen nicht eindeutig zuordnen konnten, ob es sich bei einer Person auf der Bühne um einen Mann oder eine Frau handelt, hat sich zwischen uns ein lebhaftes Gespräch rund um das Thema der Inter- und Transsexualität entwickelt. Während wir voller Unverständnis kopfschüttelnd und mit einem Gefühl der Scham für die Darsteller das Geschehen auf der Bühne beobachteten, haben wir unsere Gedanken zu einem wichtigen Thema der heutigen Zeit ausgetauscht. Dieses bizarre, von mir als minderwertig abgetane Schauspiel hat in uns also tatsächlich etwas ausgelöst, was eine beeindruckende Artistikshow nicht zu berühren vermochte. Wer weiss, ob wir dieses Gespräch ohne das Queer Art Collective je geführt hätten?