Spitalgeschichten, Studiumsgeschichten

Zwei Wege

Zum Thema Entscheidungsfindung habe ich an unserem Beratungswochenende ein Gedicht von Robert Frost präsentiert. Wir haben es im Gymnasium einmal analysiert und ich habe schon damals grossen Gefallen daran gefunden. Zufällig bin ich vor einigen Wochen wieder darüber gestolpert und ich fand, dass es nicht nur perfekt zu diesem Wochenende, sondern auch zu meiner aktuellen Lebenssituation passt.

The Road Not Taken (Robert Frost)

 

Two roads diverged in a yellow wood,

And sorry I could not travel both

And be one traveler, long I stood

And looked down one as far as I could

To where it bent in the undergrowth;

 

Then took the other, as just as fair,

And having perhaps the better claim,

Because it was grassy and wanted wear;

Though as for that the passing there

Had worn them really about the same,

 

And both that morning equally lay

In leaves no step had trodden black.

Oh, I kept the first for another day!

Yet knowing how way leads on to way,

I doubted if I should ever come back.

 

I shall be telling this with a sigh

Somewhere ages and ages hence:

Two roads diverged in a wood, and I—

I took the one less traveled by,

And that has made all the difference.

Im Moment stehe ich an einer Weggabelung, wie der Wanderer in dem Gedicht. Ich weiss noch nicht, ob ich nach rechts oder nach links gehe. Stehenbleiben ist jedenfalls keine Option. Egal, welche Abzweigung ich wähle, es wird die richtige sein, solange ich sie strammen Schrittes gehe und voll hinter meiner eigenen Entscheidung stehe. Ein Zurück gibt es nicht. Dessen muss ich mir bewusst sein.

 

In meinem Studium, in welchem wir nicht nur zu Ernährungsfachpersonen sondern auch zu Beraterinnen und Beratern ausgebildet werden, haben wir uns im letzten Semester mit unserem eigenen Menschenbild auseinandergesetzt. Folgender Satz hat mich dabei besonders angesprochen:

„Die Menschen sind jederzeit Experte für ihr Leben und können dieses so deuten, dass Bedürfnisse, Wünsche und Ziele benannt werden können.“

Ich glaube, dass jeder Mensch spürt, was er braucht, wenn man ihn lässt. Oft fehlen uns Ruhe und Gelassenheit, um Sachverhalte sacken zu lassen. Das Bauchgefühl braucht Zeit und Raum, um sich zu äussern und Gehör zu verschaffen. Mit etwas Training gelingt der Zugang zur eigenen Intuition irgendwann vielleicht einfacher. Doch es braucht Übung und auch etwas Mut, um darauf zu vertrauen und sich nicht von äusseren Einflüssen davon abbringen zu lassen.

In vielen Situationen bin ich ein ziemlich kopfgesteuerter Mensch. Zur Entscheidungsfindung brauche ich Fakten und schreibe Pro-und-Kontra-Listen, um die ideale Lösung zu finden. Doch die ideale Lösung gibt es nicht immer und statistische Zahlen sind letztendlich doch nur Zahlen. Es geht nicht um die Frage, was perfekt ist, sondern darum, welcher Weg für mich gangbar ist und was ich brauche, um ihn zu bewältigen. Egal, wohin er letztendlich führt.

 

 

 

 

Spitalgeschichten

Kann ich mit dem Worst Case leben?

Von meinem Gesprächstermin diese Woche hatte ich euch ja bereits berichtet. Auch davon, dass ich nun zu wissen glaube, was ich brauche, um mich zu hundert Prozent für die Operation zu entscheiden. Oder eben dagegen.

Ich bin grundsätzlich für die Operation, weil ich das Happy End will. Unbedingt! Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ich dieses Happy End bekomme. Aber eben auch nicht sicher.

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Die Frage ist nun, ob ich auch damit leben kann bzw. will, wenn die Operation nicht wie geplant verläuft und ich bestenfalls beim Status Quo lande oder bei einer Variante, von der ich noch weniger begeistert bin, als von der IST-Situation. Wenn ich diese Frage mit Nein beantworte, dann sollte ich die Operation vernünftigerweise bleiben lassen. Wenigstens für den Moment.

Deshalb setze ich mich aktuell nicht primär mit der geplanten Operation und all ihren Chancen und Risiken auseinander, sondern ich versuche mich an das Gefühl heranzutasten, wie das Leben für mich wäre, wenn mein persönlicher Worst Case eintritt. Nur wenn ich überzeugt bin, dass ich mich auch mit dieser Variante zumindest mittelfristig arrangieren könnte, werde ich die OP-Einwilligung unterschreiben. Das habe ich mir selbst und meinen Angehörigen fest versprochen.

Spitalgeschichten

Ein zweites Paar Augen und Ohren

Diese Woche hatte ich einen wichtigen Besprechungstermin. Es ging um die im Herbst geplante Operation. Zum ersten Mal seit Jahren bin ich nicht alleine hingegangen, sondern habe jemanden mitgenommen. Meine beste Freundin. Sie kennt mich in- und auswendig. Ihre Meinung ist mir unglaublich wichtig. Abgesehen davon hat sie sich in den letzten Wochen vertieft mit meiner Thematik auseinandergesetzt. Was die medizinische und vor allem die operationstechnische Seite anbelangt, hat sie berufsmässig viel mehr Ahnung als ich.

Ich habe sie nicht mitgenommen, weil ich Angst vor den Ärzten habe oder ihnen nicht vertraue. Ich habe sie mitgenommen, damit noch jemand anderes zuhört. Jemand, der auch bei den Dingen ganz genau hinhört, die ich vielleicht nicht hören will. Jemand, der auch zwischen den Zeilen lesen kann und mir danach ehrlich seine Meinung sagt. Auch wenn sie vielleicht weh tun. Auch wenn sie vielleicht Dinge anspricht, die ich lieber nicht wahrhaben möchte.

Der Termin war nicht schön. Die Operation ist nicht schön. Aber das Gespräch war unglaublich wertvoll. Zu einen, weil ich mich von medizinischer Seite her nun noch besser aufgeklärt fühle. Vor allem aber, weil ich nach dem anschliessenden Gespräch mit meiner Freundin nun zu wissen glaube, was ich noch brauche, damit ich mich Ende September ganz bewusst für oder gegen die Operation entscheiden kann. Mit all den möglichen Konsequenzen.

Ich möchte mit diesem Beitrag zwei Dinge vermitteln:

  1. Fordert von euren behandelnden Ärzten so viele Informationen und Gespräche ein, bis ihr euch sicher seid, dass ihr eine gut informierte Entscheidung treffen könnt. Niemand kann den Verlauf während oder nach einem chirurgischen Eingriff mit Sicherheit voraussagen. Das können auch die Ärzte nicht. Aber wenn ihr das wollt und braucht, dann können sie mit euch die Einzelheiten des Eingriffs durchgehen und euch mögliche Szenarien offenlegen. Die schönen und die nicht so schönen. Während ihr in Narkose liegt, muss der Chirurg unter Umständen Entscheidungen treffen, die euren Alltag für den Rest eures Lebens beeinflussen können. Wenn ihr davor gut informiert seid, könnt ihr mitbestimmen, was in welchem Fall gemacht werden soll und was nicht. Das mindert die Wahrscheinlichkeit für unangenehme Überraschungen im Aufwachraum, auch wenn es sie nicht komplett ausschliesst.
  2. Wenn ihr euch unsicher seid, lasst euch zu Arztterminen begleiten. Nehmt einer Person mit, der ihr zu 100 Prozent vertraut und die euch anschliessend offen und ehrlich ihre Meinung sagt. Jemand, dem ihr wichtig seid. Jemand, der seine Bedenken differenziert äussern kann, der aber auch seine eigenen Ängste von dem differenzieren kann, was für euch wichtig ist. Es ist euer Körper, euer Leben. Eure Angehörigen haben Angst um euch. Mehr vielleicht, als ihr selbst. Das ist in Ordnung, aber ihr dürft eure Entscheidung nicht davon abhängig machen, was für eure Familie und Freunde das Beste ist. Wenn ihr bewusst euren Weg geht und voll hinter den von euch getroffenen Entscheidungen steht, können sie auch darauf vertrauen, das ihr mit einer Situation zurecht kommt. Egal, ob nun das Happy End oder der Worst Case eintrifft.

 

Alltagsgeschichten, Spitalgeschichten, Studiumsgeschichten

Nicht stehen bleiben

Im Moment geht es mir total gut und ich geniesse das Leben in vollen Zügen. Ich schreibe an meiner Bachelorarbeit und das Thema macht mir nach langer Zeit zum ersten Mal wieder richtig Spass. Es fällt mir leichter, meine Gedanken zu ordnen und strukturiert zu arbeiten.

Zum Ausgleich bewege ich mich oft und viel an der frischen Luft. Ich treibe Sport (der Halbmarathon Mitte September ist das Ziel) und gehe lieber einmal mehr zu Fuss, als dass ich die öffentlichen Verkehrsmittel beanspruche. Ausflüge, Kaffeekränzchen und gemütliche Grillabende mit Freunden tragen zusätzlich zu meiner guten Laune und meinem positiven Lebensgefühl bei.

Meine körperliche Situation hat sich nicht verändert. Der Termin für die nächste grosse Operation im Oktober steht. Viele Fragen sind noch offen und ich hoffe, sie in weiteren Gespräch mit den Ärzten klären und dann voller Hoffnung und Zuversicht einen neuen Anlauf zur Verbesserung meiner Gesundheit und Lebensqualität wagen zu können. Was sich verändert hat, sind meine psychische Verfassung und mein Umgang mit der Situation.

Im Frühling dieses Jahres hätte ich manchmal nicht gedacht, dass ich den Weg aus dem dunklen Loch, in dass ich nach der erneut gescheiterten Operation im Februar gefallen war, noch einmal finden würde. Ich war extrem müde. Körperlich, aber vor allem auch psychisch. All meine Bemühungen und Anstrengungen der letzten Jahre erschienen mir sinnlos. Ich sah kein Licht am Horizont, kein Weg, den ich zu gehen bereit war und für den ich noch die Kraft hatte.

Ich musste Hilfe annehmen und mich zur Stabilisierung meiner psychischen Verfassung in professionelle Hände begeben. Ich habe bei meinem Studiengang den Antrag gestellt, den Abgabetermin meiner Bachelorarbeit nach hinten verschieben zu dürfen. Das fiel mir nicht leicht. Ständig hatte ich das Gefühl, dass ich es doch eigentlich hätte schaffen müssen.

Rückblickend bin ich sehr dankbar, dass ich diesen Schritt gemacht habe. Es hat mir einiges an Druck weggenommen und mir etwas Luft zum Durchatmen verschafft. So komplett neben der Spur zu sein frisst einen Grossteil der eigenen Energie. Im Alltag noch „normal“ zu funktionieren ist da ab einem gewissen Grad praktisch unmöglich. Ich musste die Grenzen meiner Belastbarkeit erfahren und akzeptieren.

Heute, ein paar Wochen später, geht es mir so viel besser. Ich habe mich wieder gefangen und bin wieder viel näher an der Moni dran, die mit Optimismus und Kampfgeist durchs Leben geht und auch einmal über sich selbst lachen kann.

Es ist nicht immer alles schön und ich mache mir viele Gedanken dazu, was in den nächsten Monaten auf mich zukommt und wie ich damit fertig werde. Im Unterschied zu vorher habe ich aber wieder einen klaren Kopf und damit auch die Fäden in der Hand. Ich bestimme, was ich möchte und was nicht und ich entscheide, wann die Zeit für den nächsten Schritt gekommen ist. Dafür, dass ich dabei von so vielen Seiten unterstützt werde und dass so viele tolle Menschen mich auf meinem Weg begleiten, bin ich unendlich dankbar.

Ich weiss, wie hoffnungslos und verfahren einem das Leben manchmal erscheinen kann und wie mühsam es ist, sich bereits in jungen Jahren mit einer ernsten Erkrankung oder einer Behinderung herumschlagen zu müssen. Es ist okay, einfach mal die Nase voll zu haben und alles hinschmeissen zu wollen. Mir hilft es, wenn ich mir vor Augen halte, dass das Leben nun mal einfach nicht fair ist. Jeder hat sein Päckchen zu tragen: Die einen ein grösseres, die anderen ein kleineres. Egal wie sehr ich mich anstrenge oder bemühe, gewisse Dinge liegen einfach nicht in meiner Hand. Aufwand und Ertrag halten sich nicht immer die Waage.

In den letzten Wochen und Monaten war bei mir viel Chaos. Meine tollen Pläne für meine unmittelbare berufliche Zukunft und die Gestaltung des Sommers sind wie Kartenhäuser in sich zusammengefallen. Ich habe vieles in Frage gestellt, gehadert und gezweifelt. Oft wäre ich beinahe verzweifelt. Doch nach dem Chaos kam auch wieder Ordnung. Ein Weg hat sich aufgetan, ich konnte neue Pläne schmieden. Dass ich gestärkt aus der Sache hervorgegangen bin, wage ich trotzdem zu bezweifeln. Ich habe viele Federn gelassen und bin mit Sicherheit dünnhäutiger als zuvor. Meine Energiereserven sind nicht unbegrenzt. Mit jedem Mal, wo ich hineinfalle, wird es mühsamer, wieder aus dem Loch hervorzukriechen. Mit jedem Mal dauert es länger.

Menschen in einer ähnlichen Situation möchte ich raten, nicht stehen zu bleiben. Es muss nicht immer lösungsorientiert und zielgerichtet sein, was ihr tut. Ihr müsst nach einem Rückschlag nicht sofort wieder auf Knopfdruck funktionieren und so tun, als ob nichts wäre. Seid wütend, frustriert, traurig oder was auch immer ihr wollt. Nehmt Hilfe an, lasst euch an der Hand nehmen. Aber bleibt nicht stehen. Niemals. Ein Schritt zurück oder in die „falsche“ Richtung ist tausendmal besser als Stillstand. Ordnung entsteht nicht aus der Regungslosigkeit, sondern aus dem Chaos.

In diesem Sinne: Bleibt in Bewegung!

Spitalgeschichten

Füreinander da

Ein junger Mann aus Deutschland hat sich gewünscht, dass ich diesen Beitrag über ihn schreibe. Wir haben uns noch nie gesehen. Mein Bruder hat auf seiner Südamerikareise vor zwei Jahren seinen Bruder kennengelernt. Dabei stellten sie fest, dass sie beide ein Geschwister mit einer chronischen Erkrankung aus dem gleichen medizinischen Bereich haben. Was für ein Zufall, am anderen Ende der Welt.

Als ich letztens ziemlich verzweifelt war und kein Licht am Ende des Tunnels mehr gesehen habe, hat mein Bruder angeboten, den Kontakt zu diesem jungen Mann herzustellen. Ich habe sofort zugestimmt und war dankbar für diesen Strohhalm. Im Nullkommanichts hatte ich seine Nummer und wir haben uns zum Telefonieren verabredet. Vielleicht kann er mir die ultimative Lösung basierend auf seinen eigenen Erfahrungen präsentieren. So die Hoffnung.

Konnte er nicht. Macht aber auch nichts. Statt die ultimative medizinische Problemlösung hat er mir etwas viel wertvolleres mitgegeben: Zuversicht und das Gefühl, nicht alleine zu sein. Er hat in seinem Leben selbst schon so vieles durchgemacht und trotzdem keine Sekunde lang gezögert, sich mein Problem und meine Situation anzuhören. Obwohl wir nicht die gleiche Erkrankung haben, so war sofort dieses Grundverständnis da. Das tiefgehende Verständnis, wie es ist, anders zu sein als die meisten Gleichaltrigen und sich neben dem gewöhnlichen Alltagsstress noch mit komplexen medizinischen Phänomenen und schwerwiegenden Entscheidungen, die eigene Gesundheit betreffend, herumschlagen zu müssen.

Es fasziniert mich immer wieder aufs Neue, wie sehr dieses Verständnis verbindet. Völlig fremde Menschen werden innert Minuten zu Vertrauten, zu Freunden. Das ist ungeheuer wertvoll und durch nichts anderes zu ersetzen. Dass jemand meine eigenen Gedanken im Bezug auf meine Krankheit wirklich aus tiefstem Herzen versteht und nachempfinden kann, ist ein Gefühl, das mir nur wenige Menschen geben können. Für jeden einzelnen von ihnen bin ich dankbar.

Es geht nicht um Mitleid oder Jammern. Es geht darum, stark zu bleiben, sich selbst und seiner Bedürfnisse bewusst zu sein und sich nicht unterkriegen zu lassen. Zu sehen, dass andere es auch schaffen und im Leben mit viel schlimmeren Dingen zurecht kommen, gibt mir Halt und Zuversicht. Wenn er das kann, kann ich es auch! Sie hat nicht aufgegeben, also gebe ich auch nicht auf!

 

Spitalgeschichten

Blick in die Kristallkugel

Manchmal hätte ich gerne so eine Kristallkugel wie die Wahrsagerinnen im Film. Sie würde mir die Zukunft zeigen. Oder jedenfalls den Teil der Zukunft, der mich interessiert. Alles möchte ich lieber nicht wissen.

Ich habe heute Nachmittag einen Besprechungstermin im Krankenhaus. Wie soll es weitergehen? Ein weiterer grosser chirurgischer Eingriff steht zur Diskussion. Wenn er gelingt, ist alles wunderbar und mein Problem ist gelöst. Ziel erreicht. Endlich. Wenn nicht, bin ich um eine Operation reicher und gleichzeitig um eine vielversprechende Alternative ärmer. Die Risiken und Folgeerscheinungen sind dabei nicht ganz unerheblich. Alles so lassen, wie es ist? Für mich keine Option.

Am Scheideweg zu stehen und die Wahl zu haben ist einerseits ein Privileg. Ich kann entscheiden, wohin die Reise gehen soll. Theoretisch zumindest. Andererseits beeinflusst meine Entscheidung von heute unter Umständen den Rest meines Lebens. Positiv oder negativ. Woher soll ich wissen, was richtig und was falsch ist? Garantien gibt es in der Medizin keine, nur Wahrscheinlichkeiten. Meine persönliche Statistik der vergangenen zweieinhalb Jahre fällt eher bescheiden aus: Misserfolgsquote 100% bei zahlreichen Versuchen.

Die zukunftsweisende Kristallkugel gibt es nicht und ich glaube nicht an Wahrsagerei. Schlussendlich wird mir nichts anderes übrig bleiben, als auf meinen Verstand und mein Bauchgefühl zu hören. Wenn ich heute hinter der Entscheidung, die ich treffe, stehen kann, dann werde ich sie auch nicht bereuen, weil sie sich in dem Moment, in dem sie getroffen wurde, richtig angefühlt hat.

Spitalgeschichten

Happy End

„Und vielleicht geht’s nicht ums Happy End, sondern heute mal nur um die Geschichte.“ (Julia Engelmann)

Ich habe mir das Happy End gewünscht. So sehr! Ich wünsche es mir immer noch. Ich will es! Auf der Stelle. Sofort.

Denken wir nicht alle irgendwie immer zuerst ans Happy End? Ist die positive Erwartung an dedas Ziel nicht oft der Auslöser und Antrieb unseres Handelns? Ich erinnere mich da an eine Vorlesungsreihe aus dem Bereich der Motivationspsychologie…

Vor meiner letzten Operation am 1. Februar habe ich daran gedacht, wie es sein wird, wenn danach endlich alles gut ist. Ich habe mir das Ziel des Eingriffs vor Augen geführt, mir das Happy End ausgemalt. Im Mai wollte ich nicht nur meinen Geburtstag feiern, sondern auch den positiven Ausgang einer knapp dreijährigen Odyssee durch Sprechzimmer von Ärzten und Therapeuten, Operationssäle und Spitalbetten. Es wäre so etwas wie ein Neuanfang gewesen, ein neuer Lebensabschnitt. Ein Trugschluss, vielleicht, aber eine schöne Vorstellung.

Das Happy Ende ist nicht eingetreten. Noch nicht? Nicht jede Geschichte hat ein Happy End. Schon klar.

Die Hoffnung auf das Happy Ende hat mir vor der Operation, während des Krankenhausaufenthalts und in der Rekonvaleszenz geholfen. Ich wusste, wofür ich die Nervosität, die Schmerzen und die ganzen Unannehmlichkeiten auf mich nehme.

In meiner momentanen Situation verspottet mich das Happy End. Im Hinblick auf das aktuelle Operationsresultat erscheint es mir lächerlich, welcher Aufwand dafür betrieben wurde. Für nichts.

Vielleicht geht es jetzt darum, sich auf die Geschichte zu konzentrieren. Auf das, was da ist. Nicht auf das, was war, und nicht auf das, was sein könnte oder sollte. Das Happy End ist (vorerst) eine Sackgasse, aber die Geschichte geht weiter. Und das ist es doch, was zählt. Oder?

 

 

 

 

Spitalgeschichten

Einfach nur weg

„Ich will grad einfach nur weg, nur weg, nur weg, wo einfach alles einfach ist.“ (Johannes Oerding, Einfach nur weg)

Hier auf meinem Blog war es in den letzten zwei Wochen sehr ruhig, weil in meinem Leben mal wieder so einiges passiert ist. Naja, im Grunde ist eigentlich nur das passiert, wovor ich mich seit der letzten Operation gefürchtet hatte. Sieht nicht so gut aus im Moment…

Jedenfalls hatte ich diese Woche „notfallmässig“ einen kleinen Eingriff und wenn ich Glück habe, ergibt sich „das Problem“ dadurch bis spätestens Ostern. Das wäre mal ein richtig tolles Ostergeschenk und mit Schokohasen und Zuckereiern niemals aufzuwiegen. Also lieber Osterhase, ich hoffe, du hast deine langen Ohren gespitzt und gut zugehört.

Wer mich kennt, der weiss, dass abwarten und Tee (Kaffee) trinken im Bezug auf meine Gesundheit nicht gerade meine Stärke ist. Zehn Tage auf eine Medikamentenwirkung zu warten zerrt also ziemlich an meinen Nerven.

Wie gut, dass ich in Leipzig eine liebe Freundin habe, die ich nächste Woche besuchen darf. Das war schon länger geplant und ich freue mich wirklich riesig darauf. Man kan vor sich und seinem Leben nicht davonlaufen und es ist an einem anderen Ort auch nicht „einfach alles einfach“, wie in dem oben verlinkten Lied, schon klar, aber eine Luftveränderung kann manchmal Wunder bewirken.

Andere Menschen, andere Stadt, nach Lust und Laune in den Tag hinein leben. Ich glaube, dass mir das Abschalten ganz gut gelingen wird, weil ich meinen Urlaub einfach geniessen will und da hat eine Situation, die ich ohnehin nicht mehr beeinflussen kann, keinen allzu grossen Stellenwert verdient. Am besten, sie bleibt gleich ganz daheim, stellt sich in eine Ecke und schämt sich. Aber wie gesagt, man kann vor seinem Leben ja nicht davonlaufen. Etwas Abstand zum Alltag und ein Perspektivenwechsel können aber ganz heilsam sein und für eine Verschnaufpause sorgen.

Spitalgeschichten

Geduld haben, optimistisch sein, Vertrauen fassen

Meine letzten Operation ist nun knapp sechs Wochen her. Wie schnell die Zeit vergeht. Die „Grosswetterlage“ ist recht freundlich, es gibt ein paar Störungsfelder, aber die sollten sich in den nächsten Wochen verziehen oder zumindest mit nicht ganz so invasiven Methoden in den Griff zu kriegen sein.

Mein Geduldsfaden ist nach der Odyssee aus Arztterminen, Operationen und Enttäuschungen in den letzten Jahren nicht mehr ganz so lang und es fällt mir nicht immer leicht, optimistisch zu sein. Kleinste Abweichungen vom planmässigen Verlauf machen mich nervös und unsicher. Ich registriere jedes noch so unbedeutende Symptom und schenke ihm grösste Beachtung. Mit fehlt das Vertrauen in meinen Körper und darin, dass endlich alles gut wird. Dass das positive Outcome sich stabilisiert und Normalität einkehrt. Endlich.

Bleibt es wirklich so? Vor zwei Jahren ist die „Katastrophe“ erst nach Wochen eingetreten. Völlig unvorhergesehen. Aus dem nichts. Ich bilde mir ein, ein erneuter Rückschlag würde mich weniger treffen, wenn ich mich (noch) nicht allzu sehr freue. Doch wann ist der Zeitpunkt, um aufzuatmen. Eine Garantie gibt es nie. Der Moment zählt. Das Hier und Jetzt.

 

Spitalgeschichten

Narbenpflege

Man kann von Narben am eigenen Körper halten, was man will. Die wenigsten sind besonders dekorativ, schön oder würden als trendiges Accessoire durchgehen, aber jede von ihnen erzählt eine Geschichte.

Auch wenn man sich mir den Spuren von Unfällen oder Operationen nicht unbedingt anfreunden möchte, so sollte man sie, besonders in der Anfangsphase, auf keinen Fall ignorieren. Wer seine Narbe richtig pflegt, kann dazu beitragen, dass sie feiner, elastischer und damit im Endeffekt unscheinbarer wird, als wenn man sie einfach vor sich hinwuchern lässt.

Sobald die Fäden gezogen und die Wunde vollständig verschlossen ist (nach ca. 14 Tagen), creme ich meine Narbe jeweils abwechselnd mit einer speziellen Narbensalbe (Keli-med), Bepanthen Salbe und Nivea ein. Gemäss meiner Wundberaterin könnte man auch eine einfache Bodylotion verwenden, welche im Idealfall reichhaltig ist und gut fettet. Zu Beginn, wenn ich ohnehin die meiste Zeit zuhause rumsitze, pflege ich die Narbe fünf- bis sechsmal täglich. Im Verlauf dreimal, später morgens und abends und nach einigen Monaten jeweils einmal täglich nach dem Duschen. Damit habe ich bisher sehr gute Erfahrungen gemacht und auch wenn die spezielle Narbenalbe etwas mehr kostet, bin ich überzeugt, dass sich die Investition langfristig lohnt. Abgesehen davon hält auch eine kleine Tube wirklich lange hin.

Man sollte beim Eincremen ruhig ein bisschen Druck ausüben und die Narbe massieren. Was man an der Oberfläche sieht, ist nur die Spitze des Eisbergs. Gerade bei Operationen reichen die Verletzungen bis tief ins Gewebe hinein und auch dort entstehen Vernarbungen, welche im ungünstigsten Fall zu Komplikationen führen können. Eine Freundin, welche angehende Physiotherapeutin ist, hat mir den Tipp gegeben, die Narbe von aussen nach innen zu massieren, sodass sie schön schmal bleibt und sich nicht zusätzlich in die Breite ausdehnt.

Seine Narbe zu pflegen, sie zu berühren und täglich anzuschauen, ist für mich nach einem grossen Eingriff auch immer die Möglichkeit, mich mit meinem Körper auseinanderzusetzen und mich mit ihm zu versöhnen. Auch wenn mein Körpergefühl durch die Operation gestört ist und ich mich nicht richtig wohl fühle, erkenne ich an, dass genau dieser Körper in den letzten Wochen so viel ertragen und geleistet hat. Da ist ein Bisschen Salbe das Mindeste, was ich ihm zurückgeben kann.