Alltagsgeschichten

Partnersuche 2.0

Nachdem es beim Speeddating mit dem „Partner fürs Leben“ nicht geklappt hat und ich irgendwie nie da bin, wo man interessante in meinem Alter Männer kennenlernt, wage ich einen Versuch mit der hierzulande wohl bekanntesten Flirt-App. Ehrlich gesagt ist es schon der dritte, wobei ich es bei den ersten beiden Malen schon nach wenigen Tagen so ätzend fand, dass ich die App wieder deinstalliert hatte. Etwas Ernsteres hat sich nie ergeben.

Das Prinzip ist ganz simpel: Man lädt sich die Applikation aufs Handy, meldet sich an und schwupp kriegt man unzählige Fotos von Männern in der gewünschten Altersgruppe präsentiert. Einmal nach links zwischen bedeutet „No Go“, mit einem Fingerzeig nach rechts signalisiert man Interesse. So einfach. So oberflächlich?

Haben beide Interesse, kann man sich via Chat austauschen und entscheiden, ob man für ein persönliches Treffen bereit ist.

Wenn man sich die Profile der Männer so anschaut, dann sehen sie zu 90% identisch aus: Jeder reist und isst gerne, man(n) studiert, kann mehrere Sprachen, ist sehr sportlich, liebt die Natur, seine Freunde und gute Partys. Interessant finde ich, dass es mittlerweile zum guten Ton zu gehören scheint, irgendeine ausgefallene Sportart wie Paragliding, Kitesurfing oder Fallschirmspringen zu betreiben.Was ist aus Fussball oder Unihockey geworden?

Einen Fingerzeig nach links kriegen bei mir alle, die sich mit nacktem Oberkörper oder Zigarette im Mund ablichten. Wenn einer der Herren in enger Umarmung mit einer hübschen Dame abgebildet ist, macht mich das ebenfalls misstrauisch. Kann ja sein, dass es „nur“ die Schwester oder eine gute Freundin ist, aber die Überlegung dahinter verstehe ich trotzdem nicht.

Mal sehen, wie lange die App dieses Mal auf meinem Handy installiert bleibt…

Alltagsgeschichten, Pendeln

Generation Smartphone

Als Wochenaufenthalterin in Bern mit noch komplett eingerichtetem „Kinderzimmer“ bei meinen Eltern in Zürich verbringe ich wöchentlich zwangsläufig einige Stunden im Zug. Über die Menschen, die man, zu jeder Tages- und Nachtzeit, in den Schweizer Bundesbahnen trifft, könnte man ein ganzes Buch schreiben.

Heute Abend haben mir im InterRegio zwischen Zürich Haubtbahnhof und Olten zwei ältere Damen gesellschaft geleistet. Nennen wir sie der Einfachheit halber Elsbeth und Heidi.

Elsbeth und Heidi setzen sich mir gegenüber ins Abteil, nachdem sie höflich gefragt haben, ob die Plätze denn frei seien. Elsbeth packt ihr Handy aus (kein Smartphone) und liest laut eine SMS vor, die ihr eine Bekannte geschickt hat.

„Das ist nicht mein Leben“, bemerkt Heidi. „So stelle ich mir das nicht vor.“ Elsbeth ist komplett einverstanden: „Die Jungen sind nur noch am Schreiben, immer wissen sie schon alles.“ „Das nimmt dem Leben auch es bitzli denn Sinn weg.“ „Immer nur noch schreiben, schreiben, bla,bla,bla.“

Okay, sie haben recht. Ich selber habe Kopfhörer im Ohr und tippe auf meinem Handy herum. Die beiden Männer im gegenüberliegenden Abteil tun das auch. Smartphones, Tablets und Laptops sind in öffentlichen Verkehrsmitteln omnipräsent. Man sieht kaum einmal ein Buch, selten einen E-Reader. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Wenigstens entdecke ich dann auf der immer gleichen Fahrt doch wieder neue Orte, weil ich zu einem anderen Zeitpunkt aufsehen und aus dem Fenster schaue.

„Jetzt haben wir vergessen die Zugbegleiterin zu fragen, ob du in Olten einen Anschlusszug nach Burgdorf hast“, fällt Elsbeth kurz vor Aaarau auf. „Stimmt und den Fahrplan habe ich auch zuhause gelassen. Ja nu, dann steige ich einfach aus und warte auf den nächsten Zug.“ „Da kannst du unter Umständen aber lange warten.“ Elsbeth ist offensichtlich sehr müde, sie erwähnt ständig, dass der Zug doch auch mal schneller fahren könnte. „Vielleicht kommt die Schaffnerin ja nochmal vorbei und dann fragen wir sie.“ „Das mache ich eigentlich nicht so gerne.“ „Dafür sind sie auch da.“ Wo Elsbeth Recht hat, hat sie Recht.

Ich krame mein Handy hervor und öffne die SBB-App: „Suchen sie eine Verbindung?“ „Ja genau. Das habe ich mir schon fast gedacht, dass die Dame die Verbindung auf dem Natel sucht. Von Olten nach Burgdorf.“ Innerhalb kürzester Zeit habe ich den Anschlusszug ausfindig gemacht. Die beiden Damen bedanken sich höflich. „Siehst du Heide, das können die Jungen mit diesen Dingern auch machen.“ „Jaja, ich weiss schon.“ Bevor sie aussteigen, wünschen sie mir eine gute Weiterfahrt und bedanken sich nochmal.

Vielleicht ist es manchmal etwas eigenbrötlerisch, wenn viele Menschen auf engstem Raum zusammen sind und sich doch nur für ihre eigene (virtuelle) Welt interessieren. Eventuell wären wir aber gar nicht ins Gespräch gekommen, wenn ich ein Buch gelesen und auch meinen ausgedruckten Fahrplan daheim vergessen hätte.