Studiumsgeschichten

Benotete Selbstreflexion

Im Modul „Der Mensch als soziales Wesen“, was im Grunde mit einem Schnellkurs in den Grundlagen der Psychologie zu vergleichen ist, müssen wir als Teilkompetenznachweis einen biographischen Bericht schreiben. Dabei sollen wir gezielt Theorien und Modelle aus der Psychologie auf unser Leben und unsere Persönlichkeit anwenden. Zuerst fand ich den Auftrag super, dann erschienen mir bei genauem Hinsehen gewisse Fragen sehr intim, was mich schliesslich zu der Frage führte, wie viel ein Mensch in einem mehr oder weniger professionellen Umfeld von sich preisgeben darf und soll. Hat ein Dozent das Recht, mein Erleben und Verhalten mit einer Note zu bewerten?

Es gibt in meiner Vergangenheit nichts, wofür ich mich schämen müsste oder was man anderen nicht zumuten könnte, aber nicht alles, was mich als Person ausmacht und mich in meiner Entwicklung geprägt hat lässt sich auf zwei Seiten zusammenfassen.

Jeder von uns hat seine Leichen im Keller. Die einen sind noch frisch, andere schon fast vollständig wieder zu Staub geworden. Wenn wir uns zum ersten Mal begegnen, zeigen wir uns meist von unserer Schokoladenseite. Erst beim näheren Kennenlernen beginnt der Putz zu bröckeln, Schwächen offenbaren sich und der Einfluss der eigenen Vergangenheit auf die Gegenwart lässt sich nicht länger verbergen.

Ich kann diesen Bericht im Sinne einer Erstbegegnung schreiben, doch dann sind meine Aussagen entweder erfunden oder sie bleiben oberflächlich. Wenn ich ihn so schreibe, als ob ich ihn einer guten Freundin zum Lesen geben würde, dann kann ich in die Tiefe gehen und mich selber ernsthaft reflektieren. Die Freundin kennt mich schon lange und kann meine Gedankengänge mit meiner Persönlichkeit verknüpfen und in meine Biographie einordnen. Der Dozent kann das nicht.

 

 

Studiumsgeschichten

Wer studiert Ernährung?

Bei der Vorstellungsrunde am zweiten Studientag konnte ich mir zwar längst nicht alle Namen merken, dafür wurde mir klar, wie breit gefächert die Hintergründe sind, die die Leute in meiner Kohorte (Ja, das Wort wird mich die nächsten drei Jahre wohl verfolgen) mitbringen. An der Uni und der ETH, wo ich zuvor studiert habe, haben die meisten den „klassischen“ Weg eines jeden Hochschulstudenten über das Gymnasium und die Matura absolviert. Hier ist das eher die Ausnahme.

Viele haben eine Berufslehre und die Berufsmittelschule gemacht. Einige kommen aus Berufen, die entfernt mit Ernährung und Gesundheit zu tun haben: Köche (die keine rohen Tomaten mögen), Fachangestellte Gesundheit, medizinische Praxisassistentinnen oder Pharmaassistentinnen. Andere haben eine kaufmännische oder gar technische Ausbildung.

Mit dabei sind ein junger Vater, mindestens zwei Mütter, Ehefrauen, viele Freundinnen und einige Singles. Einige pendeln mehr als drei Stunden pro Tag, andere wohnen in der Nähe und wieder andere sind, so wie ich, vor kurzem nach Bern in eine WG oder kleine Wohnung gezogen.

Ein Volleyballteam würden wir locker zustande bringen und Jogger für eine Stafette gäbe es auch genug. Die einen lieben italienisches Essen, andere bevorzugen die asiatische Küche oder ernähren sich gar teilzeit-vegan.

Unsere unterschiedlichen Biographien und die enorme Spannweite an bereits vorhandenem oder eben nicht vorhandenem Vorwissen werden das Studium und die Diskussionen vor, in und nach den Seminaren bestimmt sehr bereichern.