Studiumsgeschichten

Diabetes für Anfänger – Teil 3

Was bin ich froh, dass ich den Diabetes heute Abend ablegen kann. Man kann mit dieser Krankheit leben und alt werden, ganz bestimmt, aber es erfordert eine Menge Disziplin und es vergeht kein Tag, an dem man nicht mit der Krankheit konfrontiert wird. Mein Respekt gilt all jenen, die das über Jahrzehnte tagtäglich meistern.

Dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte führen zu gravierenden Folgeerkrankungen, die teilweise nur schwer zu therapieren und irreversibel sind. Deshalb ist es wichtig, sowohl die medikamentöse als auch die Ernährungstherapie vom ersten Tag der Diagnose an mit eiserner Disziplin zu befolgen, um möglichst schnell eine gute Stoffwechseleinstellung zu erreichen. Wer möchte schon erblinden, an die Dialyse müssen oder einen diabetischen Fuss bekommen? Bloss, solange man die Krankheit nicht spürt, erscheint sie einem vermutlich auch nicht so bedrohlich und wenn man etwas merkt, ist es eventuell schon zu spät.

Die einwöchige Selbsterfahrung hat mich als angehende Ernährungsberaterin auf jeden Fall weiter gebracht und, wie ich hoffe, meine Qualität als Therapeutin sowie mein Verständnis für die Patienten gefördert. Es ist einfach, einen Plan genau nach Vorgaben zu erstellen und Lebensmittelmengen vorzuschreiben, aber es ist anspruchsvoll, dies in den Alltag zu integrieren ohne sich dabei eingeschränkt zu fühlen. Und wenn ich mit meinem Vorwissen schon gefordert war, wie geht es dann jemanden, der sich bis jetzt überhaupt nicht um seine Ernährung gekümmert und stets nach Lust und Laune gegessen hat? Wie erkläre ich Diabetes einem Kind oder jemandem, der meine Sprache nur sehr schlecht spricht? Was mache ich, wenn zum Diabetes noch weitere Allergien und Unverträglichkeiten hinzukommen? Auf diese und viele weitere Fragen werden wir in der Praxis mit Sicherheit treffen und es wird unsere Aufgabe sein, klientenzentrierte Lösungen zu finden.

PS: Meine Mama wird sich bestimmt auch freuen, dass sie ihre Küchenwaage zurückbekommt.

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Diabetes für Anfänger – Teil 2

Der fünfte Tag des Diabetes-Experiments neigt sich dem Ende zu. Aufstehen, Blutzucker messen, Mahlzeiten abwägen und spätestens am Abend alles brav ins Protokoll eintragen.

Wirklich spannend ist es nicht, weil der Blutzucker eines gesunden Menschen innerhalb relativ enger Grenzen reguliert wird und keine grossen Sprünge macht. So hatte ich heute beispielsweise sowohl am Morgen beim Aufstehen als auch nach 90 Minuten Jogging einen Blutzuckerwert von 5.5. Grund dafür ist das Zusammenspiel zwischen den Hormonen Insulin und Glukagon, welche beide in der Bauchspeicheldrüse produziert werden.

Wenn wir etwas essen, insbesondere Kohlenhydrate, steigt der Blutzuckerspiegel an und es wir vermehrt Insulin ausgeschüttet. Das Insulin ist eine Art Schlüsselhormon, welches den Zellen erlaubt, die Glukose (Zucker) aus dem Blut aufzunehmen und für die Energiegewinnung zu verwenden. Ausserdem werden in der Leber und in den Muskeln Glukosespeicher in Form von Glykogen angelegt. Wenn wir in der Nacht oder zwischen den Mahlzeiten lange nichts essen, wird in der Bauchspeicheldrüse Glukagon ausgeschüttet und die Leber beginnt, das gespeicherte Glykogen wieder in Glukose umzuwandeln und an das Blut abzugeben. Das Gleiche geschieht beim Sport, wenn wir quasi den ganzen im Blut vorhanden Zucker verbraucht haben und trotzdem noch weiter rennen wollen. (Ich bin mir nicht sicher, ob meine ehemalige Biochemie-Professorin mit dieser stark vereinfachten Erklärung glücklich wäre.)

Von dem Experiment profitiere ich trotzdem, weil ich mich nun mit Sicherheit besser in die Lage eines frisch diagnostizierten Typ-2-Diabetikers versetzen kann. Es nervt, sich mehrmals täglich in den Finger zu stechen und es ist mühsam, seine Mahlzeiten auf das Gramm genau abzuwägen und mindestens einen Tag im Voraus zu planen. Zum Glück gibt es in der modernen Medizin inzwischen auch Medikamente, bei denen man in der Mahlzeitengestaltung etwas flexibler ist.

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Diabetes für Anfänger – Teil 1

Einfühlungsvermögen und klientenzentriertes Arbeiten wird im Studiengang Ernährung und Diätetik an der Berner Fachhochschule gross geschrieben. Um uns diesbezüglich zu schulen, lernen wir Studierenden die Ernährung bei Diabetes nicht nur in der Theorie, sondern setzen sie eine Woche lange auch in der Praxis um. Placebo-Medikament und Blutzuckerkontrollen inklusive.

Am Mittwoch erhielten wir von unserer ernst dreinblickenden Dozentin die „Diagnose“ Diabetes Mellitus Typ 2. Sie hat die Rolle des Arztes so überzeugend gespielt, dass einigen fast die Tränen gekommen wären. Danach haben wir uns in Lerntandems zweimal eine Stunde lang in die Ernährungstherapie eingeführt und ausführlich beraten. Was ist der Teuscher-Plan? Wie viele Kalorien sollte ich am Tag essen? Muss ich Zwischenmahlzeiten einnehmen? Was mache ich, wenn ich hypoglykämisch (unterzuckert) bin?

Seit gestern führt mich also mein erster Weg am Morgen nicht mehr zur Kaffeemaschine sondern zu meinem kleinen blauen Blutzuckermessgerät. Ich wasche mir die Hände, bereite alles vor und pikse mich in einen Finger meiner linken Hand. Dabei ist bei mir gestern die Frage aufgetaucht, was wohl jemand macht, der sich partout nicht selber stechen geschweige denn sein eigenes Blut sehen kann.

Tagsüber wird streng nach Plan gegessen und nach Möglichkeit jedes Gramm abgewogen. Drei Haupt- und drei Zwischenmahlzeiten, möglichst regelmässig über den Tag verteilt. Isst man zu viel Kohlenhydrate, steigt der Blutzuckerspiegel unkontrolliert an, isst man zu wenig läuft man Gefahr, wegen des Medikaments in eine Hypoglykämie zu verfallen. In meinem Fall natürlich rein hypothetisch.