Letzte Woche habe ich eine wichtige Lektion gelernt: Probleme zu ignorieren und die eigenen Grenzen nicht wahrhaben zu wollen ist nicht das gleiche wie stark zu sein. Klingt eigentlich logisch, oder nicht?
Nach meinem letzten Krankenhausaufenthalt Anfang Mai war ich der festen Überzeugung, mich vorläufig nicht mehr für länger als ein paar Stunden in diese Institution zu begeben und überhaupt wollte ich bis mindestens in Herbst einfach gesund sein und eine Pause vom Patientinnen-Dasein. Guter Plan. Eigentlich.
Zu meiner fixen Idee gehörte unter anderem, dass ich ab sofort wieder top leistungsfähig bin und den Halbmarathon, den ich mir für September vorgenommen habe, besser gestern als heute bereits einmal zur Probe laufe. Dem war dann nicht so. Eine längere Zeit ohne regelmässiges Training und allein in diesem Kalenderjahr vier Vollnarkosen wirken sich eben nicht gerade förderlich auf die Kondition aus. Das macht ja auch nichts, solange man sich die Zeit gibt und sowohl die Distanz als auch die Intensität beim Training langsam steigert. Das weiss doch jeder Anfänger.
Anfängerin bin ich auch im Praktikum und in meinem zukünftigen Beruf als Ernährungsberaterin. Ich mache Fehler, meine Beratungen sind nicht perfekt und ich werde manchmal von Unsicherheit und Selbstzweifeln begleitet. Das ist ganz normal, doch es fällt mir manchmal schwer, meinen Status als Auszubildende und damit mein Recht darauf, Fehler zu machen, mit meinem Hang zum Perfektionismus in Einklang zu bringen.
Als dann irgendwann doch das Aufgebot für die nächste kleine Operation – der ich ausdrücklich zugestimmt hatte – kam und mir dadurch bewusst wurde, dass ich erneut im Praktikum fehlen und mindestens einen ganzen Tag im Spital verbringen würde, holte mich plötzlich alles ein und ich war furchtbar unzufrieden mit mir und meinem Leben. Überall stiess ich an Grenzen und fühlte mich eingeschränkt und blockiert.
Als ich „Grey’s Anatomy-like“ auf dem Badezimmerfussboden sass und weinte, wurde mir irgendwann klar, dass ich in den letzten Wochen nicht (nur) stark und tapfer gewesen, sondern vor allem davongerannt war und in vielerlei Hinsicht mit dem Kopf durch die Wand wollte. Kein Wunder, dass ich mir dabei ganz schön weh getan hatte. Das Problem waren aber offensichtlich nicht die Wände sondern ich selbst, weil ich mich bekämpft und dabei meine Schwächen hervorgehoben hatte anstatt mich auf meine Stärken und Ressourcen zu besinnen.
Ich kann schon über 10 Kilometer am Stück laufen, einfach langsam und mit kurzen Gehstrecken dazwischen. Ich kann eine gute Ernährungsberaterin sein, wenn ich mir selber gut zurede und aus jedem Fehler etwas lerne, anstatt mich davon blockieren zu lassen. Ich kann eine Pause vom Patientinnen-Dasein machen und das Laben geniessen, wenn ich in der Zeit, in der ich nicht im Krankenhaus bin (Gottseidank immer noch die meiste!), meine körperlichen Grenzen respektiere und die kleinen Defizite in meinem Alltag akzeptiere, ohne ihnen unnötig Gewicht zu geben, in dem ich mich ständig selbst mit der Nase darauf stosse.
Etwas zu bewältigen heisst, sich wirklich damit auseinanderzusetzen und den Umgang damit so lange zu üben, bis es einem irgendwann nicht mehr so schwer fällt und man ohne zu stolpern daran vorbeigehen kann. Wer hingegen wegläuft, rennt so lange im Kreis, bis er das Hindernis irgendwann wieder einholt und mit voller Wucht darüber fällt. Autsch!