Spitalgeschichten

Reha für zuhause

Nach einer Operation und einem längeren Krankenhausaufenthalt bleibt zunächst nicht viel von der Energie übrig, die man noch vor dem Eingriff hatte. Meistens ist man dann zusätzlich zu der Narkose noch zugedröhnt mit Medikamenten und Muskelmasse baut sich bekanntlich schneller ab als der ungeliebte Hüftspeck.

In der ersten Woche zuhause habe ich zwölf bis vierzehn Stunden am Tag geschlafen und die restliche Zeit überwiegend auf dem Sofa verbracht. Etwa ab Woche drei nach der Operation habe ich dann meines eigenes kleines Reha-Programm unter dem Motto „Moni wird wieder fit und alltagstauglich gestartet“.

Zunächst habe ich einen kleinen Spaziergang ums Haus gemacht, habe meine Mutter zum Einkaufen begleitet oder meiner Grossmutter zwei Strassen weiter unten im Dorf einen Besuch abgestattet. Danach war ich jeweils fix und fertig, aber das gehört dazu.

Nach ein paar Tagen kam dann als Steigerung einmal täglich ein Kaffeekränzchen in der Stadt mit einer oder mehreren Freundinnen hinzu. Da muss man sich bewegen und sogar noch das Hirn einschalten, wenn man eine angenehme Gesprächspartnerin sein will.

Es braucht nicht viel und man spürt, dass man jeden Tag fiter wird, aber man muss aktiv etwas dafür tun. Ich finde es auch wichtig, dass man sich für die Erholungsphase genügend Zeit einplant. Nicht nur der Körper muss wieder zu Kräften kommen, auch die Seele muss Raum haben, um alles zu verarbeiten, damit man anschliessend wieder bereit ist, um voll ins Leben einzusteigen.

Seit meiner letzten Operation sind nun gut vier Wochen vergangen. Vor vier Wochen war ich also noch ein Häufchen Garnichts, das ausser atmen und dösen nicht viel gemacht hat. Heute gehe wieder fleissig meine 10’000 Schritte am Tag und fühle mich bereit, am Montag wieder ins Unileben zu starten. Für den Moment ist das gut so, ich bin zufrieden. Ob die Op etwas gebracht hat, werden die nächsten Wochen zeigen.

Spitalgeschichten

Zweierzimmer mit Vollpension

Ich mache mal wieder Cluburlaub. Naja, sowas ähnliches jedenfalls.

Die Anfahrt muss individuell organisiert werden, es wird jedoch dringend geraten, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen. Parkplätze sind Mangelware. Mitnehmen sollte man bequeme Kleidung, Zahnputzzeug und Lesefutter. Auf spezielle Abendgarderobe wird keinen Wert gelegt.

Am Empfang kriegt man als erstes ein Bändchen ums Handgelenk gelegt. Es berechtigt einen zur Nutzung des All inclusive Angebots und falls man einmal zu zugedröhnt ist, um den Weg zurück in die richtige Dependance des Hotels zu finden, stehen auch gleich alle wichtigen persönlichen Informationen drauf. Einmal einlesen und der Barcode verrät deine Identität.

Für die gut betuchten Gäste gibt es Einzelzimmer, andere müssen mit einem Doppelzimmer, wenigstens mit zwei Einzelbetten ausgestattet, vorlieb nehmen. Je nach dem, wenn man nebenan liegt hat, kann das unterhaltsam oder auch sehr anstrengend sein. Man kann sich seine Nachbarn eben nicht aussuchen.

Im Rundum-Sorglos-Paket sind 24-Stunden Zimmerservice und diverse Therapieeinheiten inklusive. Wer Glück hat, wird von einem knackigen Physiotherapeuten massiert, wer Pech hat, bekommt von der hoteleigenen Ernährungsberaterin das Dessert gestrichen.

Sein Menu darf man sich täglich neu auswählen und alle drei Mahlzeiten werden direkt ans Bett geliefert. Über die Qualität des Essens lässt sich streiten, zur Not gibt’s zum Glück noch den Kiosk im Erdgeschoss. Manchen vergeht während des Urlaubs ohnehin vorübergehend der Appetit. So viel „Entspannung“ kann einem schon mal auf den Magen schlagen.

Die Zimmer sind zweckmässig, etwas steril anmutend und meist nur mit dem Notwendigsten ausgestattet, obwohl es sich hier nicht um einen Billigurlaub handelt. Für Blumen und Dekoration muss man selber sorgen.

Durchaus erwähnenswert sind die gut aussehenden jungen Männer in Uniform, die hier und da auf den Fluren anzutreffen sind. Leider sind sie, ganz um das Wohl der Gäste besorgt, meist sehr beschäftigt und nicht für einen Schwatz zu haben. Ach ja, gut aussehende Frauen gibt es übrigens auch und die haben in den meisten Fällen sogar öfter mit den Gästen zu tun.

Ich für meinen Teil werden den Komfort dieses Hauses für mindestens zehn Tage geniessen und dann direkt ins Hotel Mama umziehen. Der Urlaub in diesem Etablissement ist nämlich nur begrenzt erholsam, dafür ist einfach zu viel los.

Na, wisst ihr, wo die Reise hingeht?

Spitalgeschichten

Schicksalsgenossen

Ich mag den Titel dieses Beitrags nicht, weil er so negativ klingt, aber mir ist beim besten Willen nichts passenderes eingefallen.

Eigentlich schreib ich ihn nämlich für eine junge Frau, die in ihrem Leben schon sehr viel Mist mitmachen musste und trotzdem eine Positivität und Lebensfreude ausstrahlt, dass ich sie dafür nur bewundern kann.

Wer eine seltene Krankheit hat, kennt das Gefühl, damit ganz alleine zu sein. Wenn es in diesem Land nur gut 100 andere Betroffene gibt, ist die Wahrscheinlichkeit naturgemäss nicht sehr gross, dass es im weiteren Umfeld noch jemanden gibt, der daran leidet. Es sei denn, es würde sich um eine Erbkrankheit handeln.

Als Kind und Jugendliche habe ich immer grossen Wert darauf gelegt, „normal“ zu sein und mir nichts anmerken zu lassen geschweige denn mit vertiefter mit meiner Krankheit zu befassen. Ich bin ja auch „normal“ und zu mindestens 95% genau wie jeder andere auch. Mein näheres Umfeld hat davon gewusst, aber es war selten bis nie ein Thema. Das war zu diesem Zeitpunkt auch völlig okay so, weil es mir immer sehr gut ging, gerade auch im Vergleich zu anderen Betroffenen. Viel weniger Operationen, viel weniger Komplikationen, die 95% standen im Vordergrund.

In den letzten Jahren lief dann nicht mehr alles ganz so rund und ich musste ich mehr und mehr mit den 5% auseinandersetzen, die eben nicht so sind, wie bei den meisten anderen. Und obwohl mich mein Umfeld immer unterstützt hat und ich offen über alles reden konnte, habe ich vermehrt auch den Kontakt zu anderen Betroffenen gesucht.

Wie war das bei dir? Wie gehts du damit um? Welche Erfahrungen hast du gemacht? Solche Fragen kann man eben nur mit Menschen austauschen, die in der gleichen Situation sind und mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Manchmal sind es emotionale Themen, oft aber auch ganz praktische: Welchen Arzt würdest du empfehlen? Wie löst du dieses Problem? Da die Anzahl der Spezialisten, die sich damit auskennen, in einem kleinen Land wie der Schweiz recht überschaubar ist, kann man auch wunderbar über gemeinsame Ärzte ablästern. Ein Bisschen Spass muss schliesslich sein.

Seltene Krankheiten haben unter anderem den Nachteil, dass sie oftmals schlecht erforscht sind und auch den Medizinern die Erfahrungen fehlen. Uns Betroffenen bleibt also vielfach nichts anderes übrig, als gegenseitig voneinander zu lernen und uns selber zu organisieren. Das Problem dabei? Diejenigen, denen es gut geht (mich früher eingeschlossen), haben gar nicht das Bedürfnis, sich auszutauschen und ihre Erfahrungen an andere weiterzugeben. So landen in den Internetforen und Selbsthilfegruppen schliesslich diejenigen, bei denen es nicht gut läuft und die jede Komplikation auflesen, die man kriegen kann. Ziemlich deprimierend, was man da so alles erfährt.

Die junge Frau, von der ich oben geschrieben habe, hat mir vor nicht allzu langer Zeit geholfen, eine schwere Entscheidung zu treffen. Dazu hat es gar nicht viel gebraucht. Ich habe sie kennengelernt und durch ihr offene Wesen sofort gespürt, dass sie wunderbar mit dem zurecht kommt, was mir damals auch bevorstand. Wenn sie das schafft, dann schaffe ich das auch.

Ärzte können viel erzählen und, auch wenn sie es nur gut meinen, haben sie das Meiste, von dem sie berichten, niemals am eigenen Leib erfahren. Der Patient ist es, der mit medizinischen Entscheidungen für den Rest seines Lebens zurechtkommen muss und nicht der Arzt.

Sie ist ein paar Jahre älter als ich und steht vor Entscheidungen, die ich vielleicht auch irgendwann treffen muss. Für mich wird es bestimmt hilfreich sein, irgendwann erneut auf ihre Erfahrungen zurückgreifen zu können.

Früher stand ich Selbsthilfegruppen sehr kritisch gegenüber, doch je älter ich werde, desto mehr erkenne ich den Sinn dahinter und den Gewinn, den sie für jeden einzelnen bringen. Sie bilden den Rahmen dafür, dass auf unbürokratische Weise ein Informationsaustausch stattfinden kann, der sonst nur schwer möglich ist. Wie wertvoll das ist, erkennt man leider erst, wenn man viele Fragen hat, nach Antworten sucht und im sonst allwissenden Internet auch keine findet. Das Internet und die Wissenschaft können viel, aber gegen Lebenserfahrung kommen sie nicht an.

Studiumsgeschichten

Diabetes für Anfänger – Teil 3

Was bin ich froh, dass ich den Diabetes heute Abend ablegen kann. Man kann mit dieser Krankheit leben und alt werden, ganz bestimmt, aber es erfordert eine Menge Disziplin und es vergeht kein Tag, an dem man nicht mit der Krankheit konfrontiert wird. Mein Respekt gilt all jenen, die das über Jahrzehnte tagtäglich meistern.

Dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte führen zu gravierenden Folgeerkrankungen, die teilweise nur schwer zu therapieren und irreversibel sind. Deshalb ist es wichtig, sowohl die medikamentöse als auch die Ernährungstherapie vom ersten Tag der Diagnose an mit eiserner Disziplin zu befolgen, um möglichst schnell eine gute Stoffwechseleinstellung zu erreichen. Wer möchte schon erblinden, an die Dialyse müssen oder einen diabetischen Fuss bekommen? Bloss, solange man die Krankheit nicht spürt, erscheint sie einem vermutlich auch nicht so bedrohlich und wenn man etwas merkt, ist es eventuell schon zu spät.

Die einwöchige Selbsterfahrung hat mich als angehende Ernährungsberaterin auf jeden Fall weiter gebracht und, wie ich hoffe, meine Qualität als Therapeutin sowie mein Verständnis für die Patienten gefördert. Es ist einfach, einen Plan genau nach Vorgaben zu erstellen und Lebensmittelmengen vorzuschreiben, aber es ist anspruchsvoll, dies in den Alltag zu integrieren ohne sich dabei eingeschränkt zu fühlen. Und wenn ich mit meinem Vorwissen schon gefordert war, wie geht es dann jemanden, der sich bis jetzt überhaupt nicht um seine Ernährung gekümmert und stets nach Lust und Laune gegessen hat? Wie erkläre ich Diabetes einem Kind oder jemandem, der meine Sprache nur sehr schlecht spricht? Was mache ich, wenn zum Diabetes noch weitere Allergien und Unverträglichkeiten hinzukommen? Auf diese und viele weitere Fragen werden wir in der Praxis mit Sicherheit treffen und es wird unsere Aufgabe sein, klientenzentrierte Lösungen zu finden.

PS: Meine Mama wird sich bestimmt auch freuen, dass sie ihre Küchenwaage zurückbekommt.

Spitalgeschichten

Drei Ärzte, sieben Meinungen

Mal ganz abgesehen davon, dass es generell keinen Spass macht, krank oder verletzt zu sein, ist das Amt der Patientin auch ungeheuer fordernd und anstrengend. Man trägt eine grosse Verantwortung. Für sich selbst. Niemand anderes trifft letztendlich die Entscheidungen, was mit dem eigenen Körper gemacht wir und was nicht. Doch woher soll man wissen, was richtig ist?

Man holt sich zunächst Rat bei den Ärzten. Vom Unterassistenten über den Oberarzt bis zum Klinikleiter hat jeder seine eigenen Ansichten und Theorien. Sie alle haben Medizin studiert, sie alle haben mehr oder weniger Berufserfahrung und in mir die exakt gleiche Patientin vor sich. Man fragt drei Ärzte und bekommt sieben Meinungen. Die Medizin ist also definitiv nicht die Wissenschaft der Eindeutigkeiten. Schon klar.

Wenn ich jedes Mal fünf Franken bekommen hätte, wenn ich gestern während einer dreistündigen Untersuchung vom Arzt die Worte „vielleicht“, „Möglichkeit“ oder „Hypothese“ gehört habe, dann wäre ich heute eine reiche Frau. Sehr reich. Wenn also ein erfahrener Oberarzt schon nicht weiss, was richtig ist, woher soll ich es dann wissen?

Es gibt Möglichkeiten, zum Glück. Sie reichen von der täglichen Einnahme eines Medikaments über einen ambulanten Eingriff bis zu einer weiteren grossen Operation.

Natürlich entscheidet man sich zuerst für das kleinste Übel und schmeisst sich die Tablette ein. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Studiumsgeschichten

Und was machst du so?

Meiner Meinung nach bringt es nur Vorteile, wenn man hin und wieder über den eigenen Tellerrand schaut, was die anderen so machen. Bei seinen gewohnten Leibspeisen bleiben kann man dann immer noch.

Heute Nachmittag hatten wir eine interdisziplinäre Lehrveranstaltung gemeinsam mit den angehenden Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten aus dem zweiten Semester. Wir haben bei ihnen eine Ernährungsanamnese durchgeführt und sie haben uns nach unserem Bewegungsverhalten gefragt. Inhaltlich war die Veranstaltung sicherlich nicht die spannendste, aber ich fand es gut, Vertreter eines anderen Berufsfeldes aus dem Gesundheitsbereich kennenzulernen. Schliesslich arbeiten wir später vielleicht im selben Krankenhaus und nicht selten sogar mit den gleichen Patienten. Da schadet es bestimmt nicht, wenn man zumindest eine Ahnung davon hat, was der andere so treibt.

Ernährungsberatung, so scheint es mir manchmal, ist im Gesundheitswesen noch nicht so präsent wie andere Disziplinen und wir zuweilen sogar etwas belächelt. Da geht schliesslich nur hin, wer abnehmen muss und allenfalls verirrt sich mal noch ein Diabetiker zu den ERBs. Dass Ernährung weit mehr kann, wird sich hoffentlich in den nächsten Jahren noch zeigen. Ich glaube nämlich, dass man mit der richtigen Ernährung viel zu Gesundheit und Wohlbefinden jedes einzelnen beitragen könnte. Vielleicht kann man damit keine Krankheiten heilen, aber man kann Beschwerden verringern und dafür sorgen, dass alle wichtigen Enzyme, Proteine etc. im Körper ihre Funktion voll erfüllen können.

Deshalb wäre es auch wichtig, dass Ärzte auf die Ernährungsberatung sensibilisiert werden und sich ein Bild davon machen, was sie alles umfasst. Von befreundeten Medizinstudenten weiss ich, dass das bisher leider kaum stattfindet.

Bereits nach knapp 90 Minuten weiss ich jetzt, dass Physiotherapeuten weit mehr können als bloss massieren und auch wenn ich doch lieber bei der Ernährung bleibe, habe ich ein anderes Berufsfeld schätzen gelernt.