Spitalgeschichten

Narbenpflege

Man kann von Narben am eigenen Körper halten, was man will. Die wenigsten sind besonders dekorativ, schön oder würden als trendiges Accessoire durchgehen, aber jede von ihnen erzählt eine Geschichte.

Auch wenn man sich mir den Spuren von Unfällen oder Operationen nicht unbedingt anfreunden möchte, so sollte man sie, besonders in der Anfangsphase, auf keinen Fall ignorieren. Wer seine Narbe richtig pflegt, kann dazu beitragen, dass sie feiner, elastischer und damit im Endeffekt unscheinbarer wird, als wenn man sie einfach vor sich hinwuchern lässt.

Sobald die Fäden gezogen und die Wunde vollständig verschlossen ist (nach ca. 14 Tagen), creme ich meine Narbe jeweils abwechselnd mit einer speziellen Narbensalbe (Keli-med), Bepanthen Salbe und Nivea ein. Gemäss meiner Wundberaterin könnte man auch eine einfache Bodylotion verwenden, welche im Idealfall reichhaltig ist und gut fettet. Zu Beginn, wenn ich ohnehin die meiste Zeit zuhause rumsitze, pflege ich die Narbe fünf- bis sechsmal täglich. Im Verlauf dreimal, später morgens und abends und nach einigen Monaten jeweils einmal täglich nach dem Duschen. Damit habe ich bisher sehr gute Erfahrungen gemacht und auch wenn die spezielle Narbenalbe etwas mehr kostet, bin ich überzeugt, dass sich die Investition langfristig lohnt. Abgesehen davon hält auch eine kleine Tube wirklich lange hin.

Man sollte beim Eincremen ruhig ein bisschen Druck ausüben und die Narbe massieren. Was man an der Oberfläche sieht, ist nur die Spitze des Eisbergs. Gerade bei Operationen reichen die Verletzungen bis tief ins Gewebe hinein und auch dort entstehen Vernarbungen, welche im ungünstigsten Fall zu Komplikationen führen können. Eine Freundin, welche angehende Physiotherapeutin ist, hat mir den Tipp gegeben, die Narbe von aussen nach innen zu massieren, sodass sie schön schmal bleibt und sich nicht zusätzlich in die Breite ausdehnt.

Seine Narbe zu pflegen, sie zu berühren und täglich anzuschauen, ist für mich nach einem grossen Eingriff auch immer die Möglichkeit, mich mit meinem Körper auseinanderzusetzen und mich mit ihm zu versöhnen. Auch wenn mein Körpergefühl durch die Operation gestört ist und ich mich nicht richtig wohl fühle, erkenne ich an, dass genau dieser Körper in den letzten Wochen so viel ertragen und geleistet hat. Da ist ein Bisschen Salbe das Mindeste, was ich ihm zurückgeben kann.

Spitalgeschichten

Rund um die ambulante OP

Manchmal hat man Glück und man darf nach einer kleinen Operation am gleichen Tag wieder nach Hause. So geschehen bei mir am letzten Montag. Damit die Sache möglichst stressfrei abläuft, habe ich aus meinen Erfahrungen der letzten Jahre ein paar Tipps gesammelt:

Der Vortag

Der Tag vor der Operation ist fast der wichtigste, weil man da am meisten Zeit hätte, um nervös zu werden. Besonders ungünstig ist es, wenn es sich dabei nicht um einen Arbeits- sondern um einen Sonntag handelt. Am Vortag geht es darum, möglichst den ganzen Tag beschäftigt zu sein und dafür zu sorgen, dass man am Abend müde ist. Also nicht zu lange ausschlafen, die beste Freundin schnappen und einen langen Ausflug oder Spaziergang machen. Meist darf man noch bis Mitternacht ganz normal essen, also darf man sich getrost noch etwas richtig Leckeres gönnen. Wichtig ist, erst dann ins Bett zu gehen, wenn man richtig müde ist. Bis dahin kann man lesen, fernsehen, telefonieren, ein heisses Bad nehmen, basteln, Sport machen oder was auch immer. Im Fall, dass man doch nicht schlafen kann, empfehle ich ein paar gute Filme oder TV-Serien zur Hand zu haben. Schliesslich macht es auch nichts, wenn man am Operationstag nicht ausgeschlafen ist.

Der OP-Tag

Bald ist es soweit und wenn man Glück hat, kommt man gleich am frühen Morgen dran. Falls das nicht der Fall sein sollte, ist es wichtig, sich weiterhin beschäftigt zu halten. Ich habe am Morgen so lange wie möglich geschlafen und mich dann in aller Ruhe bereit gemacht. Aufwändiges Schminken und Stylen kann man sich getrost sparen, dafür sollte man Klamotten auswählen, mit denen man draussen rumlaufen aber auch im Bett liegen kann.

Da das mit dem Ausschlafen nicht so richtig geklappt hat und ich den verführerischen Anblick der Kaffeemaschine nicht länger ertragen habe (das Trinken ist nur bis zwei Stunden vor Spitaleintritt erlaubt) habe ich einfach einen Zug früher genommen und bin die letzten zwanzig Minuten bis zum Spital gelaufen.

Sobald man sein Zimmer auf der Station bezogen hat, wartet man nur noch darauf, dass es losgeht. Deshalb habe ich mir zur Ablenkung mein Stickzeug mitgenommen und ein paar Freunde per WhatsApp terrorisiert, damit sie mich ablenken.

Wenn man dann in den OP-Trakt kommt, ist es ganz natürlich, dass die Nervosität nochmal ein Bisschen ansteigt. Ich beruhige mich dann immer mit dem Gedanken, dass es nicht mehr lange dauert, bis ich nichts mehr mitkriege. Erfahrungsgemäss sind die Leute in den grünen Kitteln auch immer besonders lieb und die warmen Tücher, die man vor der Anästhesie übergelegt bekommt, sind echt angenehm.

Die nächste Station, die man mehr oder weniger bewusst wahrnimmt, ist der Aufwachraum. Dort bleibt man, bis man einigermassen wach und von den Vitalzeichen her stabil ist. Hier empfiehlt es sich, genau hinzuhören, was rundherum so abgeht. Die Leute reagieren komplett unterschiedlich und zum Teil in sehr amüsanter Weise auf eine Vollnarkose. Ich habe schon miterlebt, dass ein Schweizer nur noch Englisch gesprochen hat, obwohl er die Sprache gar nicht wirklich beherrscht. Ausserdem kriegt man allerhand Klatsch und Tratsch von der Pflege mit, weil die die ganze Zeit mit im Raum sind und kein separates Stationszimmer haben.

Zurück auf der Station legt die Pflege sehr grossen Wert darauf, dass man sofort etwas isst und trinkt. Unmittelbar nach Narkosen habe ich es nicht so mit dem Essen, aber der erste „Kaffee danach“ ist herrlich.

Wenn der Arzt die Entlassungspapiere gebracht und sein Okay gegeben hat, darf man sich abholen und nach Hause chauffieren lassen. Es ist überstanden!

Die Tage danach

Jeder Mensch reagiert anders auf Vollnarkosen. Bei mir ist es so, dass ich noch einige Tage müde bin und mein Blutdruck sich eher im unteren Bereich aufhält. Ausserdem entwickle ich ganz komische Vorlieben bezüglich des Essens. Dieses Mal sind es Fischstäbchen (die mochte ich bisher eigentlich nie besonders) und Léger Joghurt Drinks. Das geht vorbei und wenn nicht, ist es auch nicht so schlimm.

Wie lange man braucht, um sich ganz zu erholen, ist individuell. Auf jeden Fall sollte man es ruhig angehen lassen, nach Bedarf viel schlafen und sich noch mehr als sonst etwas Gutes tun.

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Die andere Welt

Sobald ich ein Krankenhaus betrete, tauche ich in eine andere Welt ein. Sei es zum Arbeiten oder als Patientin – und diese beiden Situationen unterscheiden sich wiederum stark voneinander – das Leben ausserhalb verliert ein Stück weit an Bedeutung.

Wenn ich arbeite, dann bin ich zwar noch mich selbst, aber ich bin auch immer in einer Rolle drin: Moni die Pflegepraktikantin oder bald Moni die Praktikantin in der Ernährungsberatung. Man bekommt eine Uniform und ein Namensschild und hat fortan eine ganz bestimmte Funktion im Mikrokosmos Spital. Den Patienten ist es ziemlich egal, ob ich schlecht geschlafen oder mich gerade gestritten habe. Es spielt für sie keine Rolle und darf meine Arbeit nicht beeinflussen. Ich bin da, um ihnen zu helfen und etwas Gutes zu tun und nicht umgekehrt. Das soll aber auf keinen Fall bedeuten, dass nicht auch ich jeden Tag vom direkten Kontakt mit den Patienten profitiere. Gerade weil ich es liebe, mit Menschen zu arbeiten, habe ich auch einen Beruf im Gesundheitswesen gewählt.

Als Patientin bin ich ziemlich stark auf mich und den „kranken“ Teil von mir fokussiert. Wenn ich mir vor einer Operation noch Gedanken darüber mache, wie ich es schaffe, den verpassten Stoff im Studium möglichst schnell nachzuholen, spielt es keine Rolle mehr, sobald ich ein Patientenarmband trage. Dann sind andere Dinge wichtig. Ich freue mich dann über jeden Besuch, jede liebe Whatsapp-Nachricht und jedes freundliche Wort von der Pflege oder den Ärzten.

Was macht ein Krankenhaus zu einer solchen Parallelwelt? Vielleicht, weil man sowohl bei der Arbeit als auch als Patientin viel Zeit darin verbringt und es einem im Prinzip alles bietet, was man zu Leben braucht: Essen, Betten, Badezimmer. Über den Komfort lässt sich selbstverständlich diskutieren. Freude und Leid liegen nahe beieinander, viele Patientinnen und Patienten befinden sich in einer schwierigen und intensiven Lebensphase. Jeder Tag ist anders, zuweilen unvorhersehbar und sowohl eine mentale als auch körperliche Herausforderung. Da bleibt eben nicht mehr so viel Platz für anderes.

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Alte Bekannte

Letzte Woche war ich zum Entfernen der Fäden an der Operationsnaht im Krankenhaus. Während ich im Flur brav auf einem Stuhl wartete, bis ich an der Reihe war, kam die Stationsleiterin aus ihrem Büro. Sie begrüsste mich mit Namen und fragte, wie es mir so gehe. Keine zwei Minuten später kam ein Assistenzarzt und sprach mich ebenfalls mit Namen an, was mich nun wirklich verwunderte, weil die in einer Woche bestimmt an die hundert Patienten sehen.

Vor ein paar Tagen war ich wegen eines Mini-Notfalls in der Poliklinik. Das richtige Stockwerk fand ich in dem rieseigen Gebäudekomplex blind und in der Cafeteria holt ich mir zuvor noch eine Flasche Mineralwasser (man weiss ja nie, wie lange man warten muss). Bezahlt habe ich mit einem Gutschein, den ich erhalten hatte, weil mein Zimmer beim letzten Mal erst drei Stunden nach meinem Eintritt bezugsbereit gewesen war.

Die junge Dame am Empfangsschalter wusste schon, wer ich war, bevor ich meine Krankenkassenkarte zücken konnte. Der Professor, der mich operiert hatte, kam freudestrahlend auf mich zu: „Frau Moni, sind Sie notfallmässig da?“ Warum er dabei so zufrieden aussah, ist mir nach wie vor ein Rätsel aber ich hatte ja schon einmal geschrieben, dass sein Humor zuweilen etwas eigenartig ist.

Im Wartezimmer traf ich zufällig eine Patientin, die noch vor zwei Wochen mit mir im Zimmer gelegen hatte. Mittlerweile war sie auch operiert und auf dem Weg der Besserung. Die Pflegefachfrau, die mich ins Behandlungszimmer führte, bedauerte, dass ich schon wieder da sei und der Assistenzarzt, der mich darauf untersuchte, konnte sich auch noch bestens an mich erinnern.

Was sagt mir das alles? Ich habe schon viel zu viel Zeit in diesem Krankenhaus verbracht.

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Von einer Gesunden zum vorübergehenden Pflegefall in weniger als fünf Stunden

So, ich hab’s überstanden und darf mich nach zehn Tagen Krankenhaus nun daheim weiter erholen. Home sweet home.

Auch wenn ich das in meinem Leben schon ein paar Mal erlebt habe, finde ich es immer wieder krass, was während und nach einer Operation mit einem geschieht. Am Sonntagabend war ich noch frisch fröhlich mit meiner Familie essen, bevor sie mich in der Klinik abgeliefert haben. Um sechs Uhr am Montagmorgen wurde ich geweckt, durfte ein letztes Mal duschen und wurde anschliessend direkt in den Operationssaal gefahren. Bis dahin fühlte ich mich fit und, zumindest nach aussen hin, völlig gesund. Als ich etwa fünf Stunden später im Aufwachraum wieder zu mir kam, hatte ich drei Infusionen und eine Sonde zur arteriellen Blutdruckmessung im linken Arm, eine Sauerstoffbrille in der Nase, einen Schmerzkatheter in der Wirbelsäule und eine frische, ca. 18 cm lange Bauchnaht. Zwei Drainagen förderten Flüssigkeiten aus meinem Bauch und ich fühlte mich, um es kurz zu sagen, wie vom Bus überfahren. Während ich keine zwölf Stunden zuvor noch total gesprächig gewesen war, konnte ich einfache Fragen nun knapp mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten.

Zum Glück gab es das Pflegepersonal, welches mich in den nächsten Tagen fürsorglich aufgepäppelt hat. Dass man plötzlich rund um die Uhr überwacht wird, sich nicht mal selber waschen kann, geschweige denn essen mag, ist schon ein eigenartiges Gefühl, wobei ich in der Phase viel zu müde war, um mir überhaupt darüber Gedanken zu machen.

Schmerzmittel sind auch was tolles, ich bin nie so entspannt wie nach 2mg (mindestens!) Morphium i.V. In Kombination mit Fentanyl (an sich auch eine sehr nette Droge) fand mein Magen das dann aber gar nicht komisch und gab alles wieder her, was ich ihm zuvor in mühsamer Überwindung zugeführt hatte.

Im Krankenhaus war ich so lange, bis ich wieder einigermassen mobil und „kostaufgebaut“ war sowie mit den Schmerzmitteln, die ich selber daheim einnehmen kann, über die Runden kam. Die eigentliche Erholungsphase beginnt aber erst jetzt. Ich erweitere langsam meinen Bewegungsradius und geniesse es, auch mal ungeniert nichts zu tun und mitten am Tag ein Schläfchen zu halten. Jetzt ist auch die Zeit, in der ich realisiere, was innerhalb der letzten zwei Wochen mit mir passiert ist und wie sich das auf mich und meinen Körper auswirkt. Für’s erste ist die Operation gut überstanden und auch die Wundheilung verläuft zufriedenstellend. Ob sie den gewünschten Erfolg gebracht hat, wird sich allerdings erst in den nächsten Wochen und Monaten zeigen.

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Professionelle Distanz

Ich glaube, etwas vom Schwierigsten am Beruf des Arztes ist es, die professionelle Distanz zu den Patienten zu wahren und trotzdem nicht abzustumpfen. Das Gleiche gilt natürlich, wenn man in der Pflege oder einem anderen Beruf arbeitet, in welchem man mit Menschen in schwierigen Situationen und Lebenskrisen konfrontiert ist.

Während meines sechsmonatigen Pflegepraktikums in einem Krankenhaus fühlte ich mich oft sehr hilflos, wenn es Patienten psychisch offensichtlich sehr schlecht ging. Ich wusste nicht, wie ich mit ihnen und der Situation am besten umgehen konnte. Normalerweise ist man mit Patientinnen und Klienten nicht befreundet, weshalb man sich von ihnen und ihrem Schicksal abgrenzen muss, um seinen Beruf langfristig ausüben zu können.

Körperliche Beschwerden und Schmerzen kann man im besten Fall mit einer Operation, Medikamenten, Ernährungs- oder Physiotherapie lindern oder sogar heilen. Bei der Psyche ist das oft nicht so einfach. So nützt es mir absolut nichts, wenn ich aus Frust über die Gesamtsituation heulend in meinem Spitalbett liege und mir der ofensichtlich überforderte Assistenzarzt ein Rezept für ein Schmerzmittel in die Hand drückt. Schmerzen habe ich nämlich keine, null. Doch dagegen könnte er wenigstens was tun… Dagegen, dass ich wütend und unzufrieden bin, ist er machtlos. „Das weitere Vorgehen müssen Sie dann zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Chef besprechen. Auf Wiedersehen.“ Na prima.

Was mir in der Situation wirklich geholfen hat, war, dass ich eine Bezugsperson bei der Pflege hatte, die mich schon länger kennt und mehr weiss, als dass, was in meiner elektronischen Krankenakte steht. Sie ist sowohl Ansprechpartnerin für mich als auch für die Ärzte und kann so sehr gut vermitteln. Ihr vertraue ich und ich weiss, dass sie auf meiner Seite steht.

In einem Krankenhaus ist es ganz normal, dass man gleichzeitig von verschiedenen Fachleuten betreut wird, aber ich finde es wichtig, dass jeder Patient mindestens eine Ansprechsperson hat, die sich für ihn verantwortlich fühlt.

 

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Auszeit

Ich kehre Bern (unfreiwillig) für einige Zeit den Rücken und werde daher in den nächsten Wochen nicht sehr viel über die Stadt und das Studium zu berichten haben. Damit mir aber trotzdem nicht langweilig wird und ich auch während meines Krankenhausaufenthalts kreativ sein kann, werde ich hie und da berichten, was ich so erlebe. In einem Spital hat es viele Menschen und wo es viele Menschen hat verbergen sich auch viele Geschichten, grosse und kleine, lange und kurze. Bestimmt wird sich die eine oder andere Anekdote mit den Ärzten, dem Pflegepersonal und den Zimmergenossinnen ergeben.

Fortsetzung folgt…