Spitalgeschichten

Füreinander da

Ein junger Mann aus Deutschland hat sich gewünscht, dass ich diesen Beitrag über ihn schreibe. Wir haben uns noch nie gesehen. Mein Bruder hat auf seiner Südamerikareise vor zwei Jahren seinen Bruder kennengelernt. Dabei stellten sie fest, dass sie beide ein Geschwister mit einer chronischen Erkrankung aus dem gleichen medizinischen Bereich haben. Was für ein Zufall, am anderen Ende der Welt.

Als ich letztens ziemlich verzweifelt war und kein Licht am Ende des Tunnels mehr gesehen habe, hat mein Bruder angeboten, den Kontakt zu diesem jungen Mann herzustellen. Ich habe sofort zugestimmt und war dankbar für diesen Strohhalm. Im Nullkommanichts hatte ich seine Nummer und wir haben uns zum Telefonieren verabredet. Vielleicht kann er mir die ultimative Lösung basierend auf seinen eigenen Erfahrungen präsentieren. So die Hoffnung.

Konnte er nicht. Macht aber auch nichts. Statt die ultimative medizinische Problemlösung hat er mir etwas viel wertvolleres mitgegeben: Zuversicht und das Gefühl, nicht alleine zu sein. Er hat in seinem Leben selbst schon so vieles durchgemacht und trotzdem keine Sekunde lang gezögert, sich mein Problem und meine Situation anzuhören. Obwohl wir nicht die gleiche Erkrankung haben, so war sofort dieses Grundverständnis da. Das tiefgehende Verständnis, wie es ist, anders zu sein als die meisten Gleichaltrigen und sich neben dem gewöhnlichen Alltagsstress noch mit komplexen medizinischen Phänomenen und schwerwiegenden Entscheidungen, die eigene Gesundheit betreffend, herumschlagen zu müssen.

Es fasziniert mich immer wieder aufs Neue, wie sehr dieses Verständnis verbindet. Völlig fremde Menschen werden innert Minuten zu Vertrauten, zu Freunden. Das ist ungeheuer wertvoll und durch nichts anderes zu ersetzen. Dass jemand meine eigenen Gedanken im Bezug auf meine Krankheit wirklich aus tiefstem Herzen versteht und nachempfinden kann, ist ein Gefühl, das mir nur wenige Menschen geben können. Für jeden einzelnen von ihnen bin ich dankbar.

Es geht nicht um Mitleid oder Jammern. Es geht darum, stark zu bleiben, sich selbst und seiner Bedürfnisse bewusst zu sein und sich nicht unterkriegen zu lassen. Zu sehen, dass andere es auch schaffen und im Leben mit viel schlimmeren Dingen zurecht kommen, gibt mir Halt und Zuversicht. Wenn er das kann, kann ich es auch! Sie hat nicht aufgegeben, also gebe ich auch nicht auf!