Studiumsgeschichten

Der lange Weg ins dritte Semester

Unglaublich aber wahr: Moni hat es ins dritte Semester geschafft!

Wenn man die drei Jahre Studium, dich ich schon hinter mich gebracht habe, zusammenzählt, könnte ich eigentlich schon den Bachelor haben. Wenn man die beiden Zwischenjahr noch dazu nimmt, sogar den Master. In Wirklichkeit starte ich am 14. September ins dritte Semester. Zum ersten Mal.

Es hat ein bisschen länger gedauert, bis ich meinen Platz in der grossen Welt der Studien- und Berufswahl gefunden habe. Als Schülerin wollte ich unbedingt Primarlehrerin werden, jahrelang. Irgendwann habe ich dann festgestellt, dass Kinder ungeheuer anstrengend sind und ich mit meinen 1.57 m und meinem eher sanften Gemüt nicht unbedingt zur Respektsperson tauge. Dann wollte ich Medizin studieren. Unbedingt. Es war mein ganz grosser Traum. Ich bin zweimal am Numerus clausus gescheitert und es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich darüber hinweggekommen bin.

Von 2011 bis 2012 habe ich an der Universität Zürich Psychologie studiert. Ich habe nach dem Assessmentjahr zusammen mit rund 600 anderen die Prüfungen abgelegt und bestanden. Ich hätte ins dritte Semester einsteigen können, ganz legal, aber ich wollte nicht. Die Psyche des Menschen interessiert mich noch heute und ich fand die Vorlesungen damals sehr spannend, aber ich konnte mir je länger je weniger vorstellen, mein Leben damit zu verbringen, mir die Probleme anderer anzuhören. Viele Psychologen arbeiten in der Forschung, aber dort wäre ich wohl auch nicht glücklich geworden. Ausserdem erschienen mir manche Theorien über die menschliche Psyche doch sehr abstrakt und teilweise an den Haaren herbeigezogen. Vielschichtige Persönlichkeiten aufgrund von irgendwelchen Tests oder spezifischen Merkmalen in Schubladen zu stecken, um sie besser greifbar zu machen, behagt mir nicht.

An der ETH, wo ich von 2012 bis 2013 Gesundheitswissenschaften und Technologie studiert habe, habe ich wunderbare Menschen getroffen, mit denen ich heute noch befreundet bin und engen Kontakt pflege. Es herrschte eine komplett andere Atmosphäre als an der Universität. Obwohl wir auch weit über 200 Studierende waren, kannte man sich und es wurde trotz der hohen Anforderungen viel gelacht. Ich habe viel gelernt über Chemie, Biologie, Mathematik und sogar ein bisschen über Biomechanik. Für eine genügende Note bei der Basisprüfung nach dem ersten Jahr hat es nicht gereicht. Da war mein Selbstwertgefühl ziemlich angeknackst und ich hatte für ein paar Tage grosse Lust, alles hinzuschmeissen und mich nur noch im Bett zu verkriechen.

Schliesslich habe ich mich doch aufgerafft und ich bin zur Studienberatung gegangen. Sie hat mich auf den Studiengang „Ernährung und Diätetik“ an der Berner Fachhochschule aufmerksam gemacht. Ich habe die Informationsveranstaltung besucht, mich angemeldet, erst die schriftliche und dann die praktische Aufnahmeprüfung bestanden und den dritten Erstsemestrigentag meiner Studentinnenkarriere hinter mich gebracht.

Im vergangenen Jahr ist viel passiert. Ich bin von daheim aus- und in eine WG eingezogen. An der Fachhochschule habe ich viele tolle neue Leute kennengelernt und bin intensiv in die Welt der gesunden Ernährung eingetaucht. Mein erstes Praktikum als Ernährungsberaterin in der Psychiatrie hat mir Spass gemacht und gezeigt, dass ich dieses Mal auf dem richtigen Weg bin, auch wenn die Psychiatrie selbst wohl nicht das Arbeitsumfeld meiner Wahl sein wird. Ich habe zwei grosse Operationen und unzählige Arzttermine hinter mich gebracht, trotzdem alle Prüfungen bestanden und nie die Motivation für das Studium verloren. Letzte Woche bin ich aus der WG aus- und in eine Einzimmerwohnung eingezogen.

Mein Weg ins dritte Semester hat fünf Jahre gedauert, aber es waren keine verlorenen Jahre. In dieser Zeit habe ich viel gelernt, über die Welt und über mich. Ich habe Menschen getroffen, die mir wichtig sind und ich habe Erfahrungen gesammelt, die mich zu dem machen, was ich heute bin. Jetzt bin ich bereit für das dritte Semester, ausgestattet mit einem ganzen Rucksack voller Werkzeuge und Ressourcen, um die kommenden Herausforderungen bewältigen zu können.

Studiumsgeschichten

Benotete Selbstreflexion

Im Modul „Der Mensch als soziales Wesen“, was im Grunde mit einem Schnellkurs in den Grundlagen der Psychologie zu vergleichen ist, müssen wir als Teilkompetenznachweis einen biographischen Bericht schreiben. Dabei sollen wir gezielt Theorien und Modelle aus der Psychologie auf unser Leben und unsere Persönlichkeit anwenden. Zuerst fand ich den Auftrag super, dann erschienen mir bei genauem Hinsehen gewisse Fragen sehr intim, was mich schliesslich zu der Frage führte, wie viel ein Mensch in einem mehr oder weniger professionellen Umfeld von sich preisgeben darf und soll. Hat ein Dozent das Recht, mein Erleben und Verhalten mit einer Note zu bewerten?

Es gibt in meiner Vergangenheit nichts, wofür ich mich schämen müsste oder was man anderen nicht zumuten könnte, aber nicht alles, was mich als Person ausmacht und mich in meiner Entwicklung geprägt hat lässt sich auf zwei Seiten zusammenfassen.

Jeder von uns hat seine Leichen im Keller. Die einen sind noch frisch, andere schon fast vollständig wieder zu Staub geworden. Wenn wir uns zum ersten Mal begegnen, zeigen wir uns meist von unserer Schokoladenseite. Erst beim näheren Kennenlernen beginnt der Putz zu bröckeln, Schwächen offenbaren sich und der Einfluss der eigenen Vergangenheit auf die Gegenwart lässt sich nicht länger verbergen.

Ich kann diesen Bericht im Sinne einer Erstbegegnung schreiben, doch dann sind meine Aussagen entweder erfunden oder sie bleiben oberflächlich. Wenn ich ihn so schreibe, als ob ich ihn einer guten Freundin zum Lesen geben würde, dann kann ich in die Tiefe gehen und mich selber ernsthaft reflektieren. Die Freundin kennt mich schon lange und kann meine Gedankengänge mit meiner Persönlichkeit verknüpfen und in meine Biographie einordnen. Der Dozent kann das nicht.

 

 

Studiumsgeschichten

Psychologie – Liebeskiller Nr. 1

Heute hatten wir die Einführung in das Modul „Der Mensch als soziales Wesen“. Im Wesentlichen handelt es sich bei der Lehrveranstaltung darum, einen groben Einblick in die grundlegenden Theorien der Psychologie zu erhalten. Für angehende Ernährungsberaterinnen ist es natürlich essentiell, nicht nur um das physische sondern auch um das psychische Wohl ihrer Klientinnen und Klienten besorgt zu sein.

Obwohl ich das Fach sehr spannend finde und gerne über mentale Prozesse sowie das menschliche Verhalten nachdenke, hat mich an dieser Wissenschaftsrichtung schon während des einjährigen Psychologiestudiums immer eines besonders gestört: Alles und jeder wird in ein Schema eingepasst.

Eine Freundin erzählt mir folgendes:

„Gestern ist mein neuer Freund Leo nach Hause gekommen und hat mir einen ganzen Strauss roter Rosen gebracht. Darüber habe ich mich sooo gefreut.“ Sie ist verliebt wie am ersten Tag, ist total gerührt von der Aufmerksamkeit, alle sind glücklich.

Was gemäss dem Modell des psychischen Systems nach Nolting/Paulus dahinterstecken könnte:

Entwicklungsbedingungen: Leo hat bereits in frühester Kindheit von seinem Opa gelernt, dass es schlicht selbstverständlich ist, dass man seiner Freundin Rosen schenkt.

Personale Bedingungen: Leo ist es grundsätzlich sehr wichtig, seinem Opa zu gefallen.

Aktuelle innere Prozesse: Leo trifft seinen Opa am nächsten Tag und hat Angst, dass dieser von ihm enttäuscht sein könnte.

Situative Bedingungen: Auf seinem Heimweg kam Leo an einem Blumenladen vorbei, der Rosen zum halben Preis verkauft hat.

 

Romantik ist was, anderes, oder?