Alltagsgeschichten, Pendeln

Schweizerische-Bürokraten-Bahn

Liebe SBB

In den letzten 24 Stunden hatte ich den Eindruck, ich wäre der einzige Mensch auf dieser Welt, dem es je passiert ist, dass ihm das Generalabonnement und die Identitätskarte abhanden gekommen sind. Bewahren die denn alle anderen getrennt in separaten Portemonnaies auf!? Wenn das erwartet wird sollte man es vielleicht zu den Kaufbedingungen für ein (sauteures) GA hinzufügen.

Als ich bei der Ticketkontrolle im Zug von Zürich nach Bern bemerkte, dass mir mein Portemonnaie geklaut wurde, war der Schaffner mitnichten so freundlich, mir übergangsweise ein Ticket auszustellen, obwohl er im System gesehen hatte, dass ich tatsächlich ein GA besitze. Als ich mich dann an zwei verschiedenen Schaltern am Bahnhof erkundigte, wie ich schnellstmöglich an einen Ersatz komme, bekam ich folgende Antwort: „Ohne einen Ausweis ist das unmöglich.“ „Aber meine ID  sowie meine sämtlichen anderen Ausweise wurden ebenfalls gestohlen und ich muss morgen erst nach Zürich fahren, um den Pass zu holen. Wie soll ich das denn machen?“ „Am besten Sie steigen in den Zug ein und sagen dort, sie hätten ihr Abonnement verloren. Dann stellt man ihnen eine Busse aus und sie können ihr GA innerhalb von 10 Tagen an einem Schalter vorweisen, sodass sie lediglich eine Gebühr von fünf Franken bezahlen müssen.“  Ganz toll. Wenn ich also folglich an einem Tag mit dem Bus zur Uni, mit dem Zug nach Zürich und dort noch mit dem Tram fahre und jedes Mal kontrolliert werde, habe ich am Ende des Tages dreimal eine Busse bekommen, obwohl ich eigentlich ein gültiges Abo habe. Echt jetzt!?

Genervte Grüsse

Moni

 

Kleiner Gratistipp an die Leser: Scannt eure Identitätskarte ein und speichert sie auf euren Computern ab. Wenn die Person am SBB-Schalter gutmütig ist, stellt sie euch damit und gegen eine Gebühr von 30 Franken ein neues Abo aus.

Alltagsgeschichten, Pendeln

Sans Papière

Das Wochenende war sooooo schön entspannt – bis mir am Sonntagnachmittag mein Portemonnaie abhanden gekommen ist. Ich hoffe immer noch, dass ich es verloren habe und ein gutmütiger Finder es mir zurückbringen wird, aber die Chancen stehen eher schlecht. An Bahnhöfen wird schliesslich nicht umsonst vor geschickten Taschendieben gewarnt. Vielleicht haben die wenigstens nur das Bisschen Bargeld rausgenommen und meine ganzen Ausweise tauchen wieder auf.

Aufgefallen ist mir der Verlust bei der Ausweiskontrolle im Zug. Logisch, dass der Schaffner ausserordentlich griesgrämig war und mich mit bösen Blicken strafte, während er mir eine Buse ausstellte. Als ob ich es witzig fände.

Als erstes habe ich telefonisch meine Kreditkarten sperren lassen. Das ging glücklicherweise schnell und problemlos. Damit ich morgen nicht wieder schwarz fahren muss, wollte ich am SBB-Schalter einer Ersatzkarte für mein Generalabonnement beantragen. Fehlanzeige! Ohne einen Ausweis mit Foto und dreissig Franken läuft da gar nichts. Wie soll ich denn bitteschön an einen Ausweis kommen, wenn Identitätskarte, Fahrausweis und Studentenausweis direkt neben dem GA im verschwundenen Portemonnaie waren? Bin ich echt die erste, der sowas passiert? Wohl kaum. Eine andere Lösung gibt es aber nicht, ich hab an zwei verschiedenen Stellen nachgefragt.

Auf der Website der Schweizerischen Eidgenossenschaft bin ich auf die Information gestossen, dass ich den Verlust meiner ID baldmöglichst auf einer Polizeistelle anzeigen muss, damit mein Ausweis „national und international zur Fahndung ausgeschrieben“ wird.

Auch der Verlust des Studentenausweises muss umgehend gemeldet werden. Den Fahrausweis kann man relativ einfach mit einem Formular anfordern. In den nächsten Tagen werden ich ausserdem das Vergnügen haben, mit meiner Bank, der Krankenkasse und der Kreditkartenfirma zu telefonieren. Ganz zu schweigen davon, dass ich der Coop Supercard, der Cumuluskarte der Migros, dem Ausweis für die Zentralbibliothek, dem Ausweis für die Gemeindebibliothek und noch vielem mehr hinterher rennen darf. Kosten wird mich das garantiert auch mehr als die knapp 90 Franken Bargeld, die in dem Portemonnaie waren.

 

Alltagsgeschichten, Pendeln

Generation Smartphone

Als Wochenaufenthalterin in Bern mit noch komplett eingerichtetem „Kinderzimmer“ bei meinen Eltern in Zürich verbringe ich wöchentlich zwangsläufig einige Stunden im Zug. Über die Menschen, die man, zu jeder Tages- und Nachtzeit, in den Schweizer Bundesbahnen trifft, könnte man ein ganzes Buch schreiben.

Heute Abend haben mir im InterRegio zwischen Zürich Haubtbahnhof und Olten zwei ältere Damen gesellschaft geleistet. Nennen wir sie der Einfachheit halber Elsbeth und Heidi.

Elsbeth und Heidi setzen sich mir gegenüber ins Abteil, nachdem sie höflich gefragt haben, ob die Plätze denn frei seien. Elsbeth packt ihr Handy aus (kein Smartphone) und liest laut eine SMS vor, die ihr eine Bekannte geschickt hat.

„Das ist nicht mein Leben“, bemerkt Heidi. „So stelle ich mir das nicht vor.“ Elsbeth ist komplett einverstanden: „Die Jungen sind nur noch am Schreiben, immer wissen sie schon alles.“ „Das nimmt dem Leben auch es bitzli denn Sinn weg.“ „Immer nur noch schreiben, schreiben, bla,bla,bla.“

Okay, sie haben recht. Ich selber habe Kopfhörer im Ohr und tippe auf meinem Handy herum. Die beiden Männer im gegenüberliegenden Abteil tun das auch. Smartphones, Tablets und Laptops sind in öffentlichen Verkehrsmitteln omnipräsent. Man sieht kaum einmal ein Buch, selten einen E-Reader. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Wenigstens entdecke ich dann auf der immer gleichen Fahrt doch wieder neue Orte, weil ich zu einem anderen Zeitpunkt aufsehen und aus dem Fenster schaue.

„Jetzt haben wir vergessen die Zugbegleiterin zu fragen, ob du in Olten einen Anschlusszug nach Burgdorf hast“, fällt Elsbeth kurz vor Aaarau auf. „Stimmt und den Fahrplan habe ich auch zuhause gelassen. Ja nu, dann steige ich einfach aus und warte auf den nächsten Zug.“ „Da kannst du unter Umständen aber lange warten.“ Elsbeth ist offensichtlich sehr müde, sie erwähnt ständig, dass der Zug doch auch mal schneller fahren könnte. „Vielleicht kommt die Schaffnerin ja nochmal vorbei und dann fragen wir sie.“ „Das mache ich eigentlich nicht so gerne.“ „Dafür sind sie auch da.“ Wo Elsbeth Recht hat, hat sie Recht.

Ich krame mein Handy hervor und öffne die SBB-App: „Suchen sie eine Verbindung?“ „Ja genau. Das habe ich mir schon fast gedacht, dass die Dame die Verbindung auf dem Natel sucht. Von Olten nach Burgdorf.“ Innerhalb kürzester Zeit habe ich den Anschlusszug ausfindig gemacht. Die beiden Damen bedanken sich höflich. „Siehst du Heide, das können die Jungen mit diesen Dingern auch machen.“ „Jaja, ich weiss schon.“ Bevor sie aussteigen, wünschen sie mir eine gute Weiterfahrt und bedanken sich nochmal.

Vielleicht ist es manchmal etwas eigenbrötlerisch, wenn viele Menschen auf engstem Raum zusammen sind und sich doch nur für ihre eigene (virtuelle) Welt interessieren. Eventuell wären wir aber gar nicht ins Gespräch gekommen, wenn ich ein Buch gelesen und auch meinen ausgedruckten Fahrplan daheim vergessen hätte.