Alltagsgeschichten

Leben streifen

Nun arbeite ich schon seit fast sechs Wochen als Ernährungsberaterin i.A. in einem Schweizer Akutspital. Was soll ich sagen? Es ist toll! Die Zeit vergeht wie im Flug, ich lerne jeden Tag dazu und beginne Stück für Stück, mich in meiner Rolle als ernährungstherapeutische Fachperson wohl und zuhause zu fühlen.

Dabei berührt es mich immer wieder, wie nahe ich den Menschen komme, wenn ich mit ihnen über das Essen spreche. Sie erzählen mir aus ihrem Leben, lassen mich teilhaben an ihren Ängsten und Sorgen und vertrauen mir das eine oder andere Laster an. Ich streife Leben, Schicksale, jeden Tag. Die einen lassen mich näher an sich heran, die anderen halten mich auf Distanz. Beides ist okay.

Wenn ich ein Patientenzimmer betrete oder eine Klientin aus dem Wartezimmer abhole, weiss ich nie, wer oder was mich erwartet. Es gehört zu meinem Beruf, in sekundenschnelle die verbalen und insbesondere auch die nonverbalen Signale meines Gegenübers aufzunehmen und mich auf dessen individuelle Persönlichkeit einzulassen. Das ist zuweilen sehr anstrengend, aber wenn man nach einigen Minuten Gespräch von einer zunächst ablehnenden und verschlossenen Patientin ein aufrichtiges Lächeln bekommt, war es die Mühe mehr als wert. Diese Moment sind es unter anderem, die meine Arbeit so wundervoll machen.

Alltagsgeschichten

Selbstbestimmung

„Und da erkannte ich das Geheimnis: Die Geschichten sind tatsächlich schon geschrieben, aber wir können sie verraten und uns mit dazu. Wir können so leben, wie wir glauben, leben zu müssen oder nicht anders leben zu können, doch es wird immer ein Leben geben, wie es für uns gemeint ist; es ist jenes, das uns am glücklichsten macht und das uns zu unserer wahren Grösse erhebt; was auch immer der Preis dafür sein möge und wie viel auch immer wir dafür auf uns nehmen müssen.“ (Thomas Meyer, Wolkenbruchs wundersame Reise in die Arme einer Schickse)

Thomas Meyers Bestseller über einen jungen Zürcher Juden auf der Suche nach der Frau fürs Leben ist leicht und unterhaltsam geschrieben, doch mit diesem Absatz hat der Autor etwas angesprochen, was für mich in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat.

Es geht nicht immer nur darum, allen anderen zu gefallen und stets zu tun, wovon man glaubt, dass es von einem erwartet wird. Meiner Meinung nach sind wir in den Momenten am glücklichsten, in denen wir zu hundert Prozent uns selbst und damit authentisch sein können. Für sich und seine eigenen Bedürfnisse einstehen zu können ist eine der grössten menschlichen Stärken. Wenn wir mit uns und unseren Entscheidungen im Reinen sind, so werden sie die Menschen, denen wir wirklich wichtig sind, auch mit uns tragen.

Ich glaube an ein Schicksal und dass gewisse Dinge im Leben vorgegeben sind und wir diese hinnehmen müssen. Doch wie wir damit umgehen, bleibt uns selber überlassen. Manchmal müssen wir dafür Umwege gehen oder gar mühsame Aufstiege in Kauf nehmen, doch am Ende hat es sich immer dann gelohnt, wenn wir den Weg gewählt haben, auf dem wir uns selbst geblieben sind.

Alltagsgeschichten

Wege ins Unglück

Das Gespräch mit einem Bekannten hat mich dazu inspiriert, mir ein paar Gedanken darüber zu machen, welche Strategien man sich im Laufe des Lebens aneignen kann, um sich garantiert unglücklich zu machen beziehungsweise seinem eigenen Glück gründlich im Weg zu stehen.

  1. Wer nicht wagt, der nicht enttäuscht wird. Wer den Versuch unternimmt, etwas für sein Wohlergehen und die Erfüllung seiner geheimen Träume und Wünsche zu tun, kann jederzeit scheitern und dadurch masslos enttäuscht werden. Besser ist es also, sich zurückzulehnen und passiv der Dinge zu harren, die da kommen mögen.
  2. Glück ist Unglück, dass man (noch) nicht hat. In den Momenten, in denen man zufrieden und mit sich und der Welt im Reinen ist, sollte man immer daran denken, dass das Unglück bereits hinter der nächsten Ecke lauert und nur darauf wartet, gnadenlos zuzuschlagen.
  3. Nobody’s perfect. Wenn einen schon niemand kritisiert oder – kaum vorstellbar – man sogar gelobt wird, sollte man sich unbedingt gründlich selber niedermachen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass man abhebt oder überheblich wird. Selbstbewusstsein kommt schnell arrogant rüber.