Alltagsgeschichten

Glückstagebuch

Wenn ich in meinen Tagebüchern aus den vergangenen vier Jahre lese, könnte man meinen, mein Leben wäre eine -sagen wir mal – mittelschwere Tragödie gewesen. Woran das liegt? Ich schreibe fast ausschliesslich dann Tagebuch, wenn es mir nicht gut geht.

Das Schreiben hilft mir, wiederkehrende negative Gefühle abzulegen und meine Gedanken zu ordnen. Ausserdem kann man sich dabei so richtig schön in Selbstmitleid baden und man muss sich nicht zurücknehmen, aus Angst, jemanden mit den eigenen Gefühlsausbrüchen zu überfordern oder gar zu verletzen. Das Tagebuch ist ein geduldiger „Zuhörer“ und widerspricht niemals.

Hätte ich es nicht aufgeschrieben, hätte ich das Meiste schon längst wieder vergessen. Unser Gehirn ist nicht umsonst so konzipiert, dass (unwichtige) Informationen bereits nach kurzer Zeit wieder gelöscht werden. Vergessen hilft, doch mit einem Tagebuch tricksen wir diesen Segen unbewusst aus und sorgen dafür, dass die kleinen und grossen Ärgernisse des Alltags bis in alle Ewigkeit festgehalten sind. Wer auf dem Computer Tagebuch führt macht vielleicht noch eine Sicherheitskopie auf einer externen Festplatte, damit ganz sicher nichts verloren geht.

Tagebuch zu schreiben und sich damit ein Stück weit selbst zu therapieren ist schön und gut aber ich denke, es bringt mindestens so viel, in regelmässigen Abständen positive Erlebnisse und Begegnungen festzuhalten. Seit nunmehr einer knappen Woche schreibe ich jeden Tag stichwortartig zwei bis drei Dinge auf, die mir besonders gut gelungen sind, bei denen ich mich wohlgefühlt oder über die ich mich gefreut habe. Was mir dabei auffällt ist, dass es sich meistens um Treffen mit Menschen handelt, die mir wichtig sind. Ein eigentlich „banales“ Kaffeekränzchen mit einer Freundin ist Lebensqualität, die man im Alltag manchmal viel zu wenig zu schätzen weiss.

Anstatt das ich aufschreibe, dass ich fast gar nichts für meine Prüfungen gelernt habe, schreibe ich nun auf, dass ich eine Stunde lang gelernt habe. Gemacht habe ich genau das Gleiche, aber mein Blick darauf hat sich verändert. Ein halb volles Glas ist eben doch besser als ein halb leeres.

Blöde Sachen passieren immer noch und die werde ich auch weiterhin bis ins kleinste Detail festhalten, aber wenn ich eines Tages mit 100 Jahren in meinem Tagebuch blättere, will ich mich auch an alles Schöne erinnern.