Essgeschichten, Studiumsgeschichten

Das Salz in der (Laien-)Presse

Diese Woche war hierzulande fast in jeder Zeitung zu lesen, Kanadische Wissenschaftler hätten herausgefunden, dass nicht nur ein zu hoher sondern auch ein zu tiefer Salzkonsum negative Auswirkungen auf das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen habe. Diese Erkenntnis ist umso bemerkenswerter, als dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und unter anderen auch die Schweiz in den letzten Jahren nationale und internationale Kampagnen zur Salzreduktion in der Ernährung etabliert haben. Das Ziel der Schweizer Salzstrategie ist es, den Salzkonsum von Herr und Frau Schweizer auf maximal 5g Kochsalz pro Person und Tag zu beschränken. So soll unter anderem gegen das Volksleiden Bluthochdruck vorgegangen werden. Dieser ist als unabhängiger Risikofaktor mit zahlreichen kardiovaskulären Erkrankungen wie Atherosklerose, Herzinfarkt oder Schlaganfall assoziiert.

Nun war als Folge der Publikation der Studie als Kanada überall in der Presse zu lesen, ein Salzkonsum von unter 3g am Tag sei gesundheitlich bedenklich und erhöhe das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen. Für meinen wöchentlichen Fachinput im Team der Ernährungsberaterinnen an meinem aktuellen Praktikumsort habe ich die Originalstudie im Internet ausfindig gemacht und war direkt ein bisschen stolz, weil ich herausgefunden, dass das, was in den letzten Tagen zu dem Thema publiziert wurde, nur die halbe Wahrheit ist.

Die Wissenschaftler haben den Natriumkonsum anhand der Ausscheidung im Urin ermittelt und sind dabei zu der Erkenntnis gelang, dass eine Ausscheidung von weniger als 3g Natrium pro Tag mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen einher geht. Nun ist Natrium aber nicht das Gleich wie Salz, welches in seiner chemischen Zusammensetzung eine Verbindung aus Natrium und Chlorid (NaCl) ist. Will man von der Menge Natrium auf die Menge Kochsalz (NaCl) schliessen, muss man mit einem Faktor 2.54 multiplizieren. Die 3g Natrium entsprechen umgerechnet also 7.62 NaCl und damit mehr als der doppelten Mengen Salz, wie sie in den Medien bereits als Untergrenze festgehalten wurde.

Spannend sind die Resultate der Studie aber allemal, wenn man bedenkt, dass eine Salzreduktion in der Ernährung, wie sie weltweit angestrebt wird, vielleicht doch nicht so effektiv ist, wie es bisher angenommen wurde. Die Autoren der Studie halten fest, dass ein Salzkonsum von 10-12g täglich mit dem niedrigsten  Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen einhergeht. Der durchschnittliche Konsum von Herr und Frau Schweizer beträgt gemäss den Angaben des Bundesamts für Gesundheit (BAG) 9g pro Person und Tag.  Ich bin gespannt, wie sich die neuen Daten in den nächsten Jahren auf die Ernährungsempfehlungen bezüglich des Salzkonsums auswirken werden.

 

Associations uf urinary sodium excretion with cardiovascular events in individuals with and without hypertension: a pooled analysis of data from four studies. Andrew Mente et al., 2016.

Essgeschichten

Gekaufte Wissenschaft

Kürzlich hate eine Mitstudierende in unserer kohorteneigenen Facebook-Gruppe den Link zu einer Dokumentation des Fernsehsenders Arte gepostet. Ihr Titel: „Die Diät-Lüge“.

Im wesentlichen geht es darum, dass zwei Journalisten im Zusammenarbeit mit einem Hausarzt und einem Ernährungswissenschaftler eine Diätstudie fingieren und es tatsächlich schaffen, diese zu publizieren sowie mit ihrer Erkenntnis – Schokolade macht schlank-weltweit in die Schlagzeilen zu kommen. Dabei hätte jeder Amateurwissenschaftler schon beim ersten Durchlesen des Papers merken müssen, dass die Ergebnisse einer Studie mit nur 14 Probanden und unzähligen anderen Ungereimtheiten nicht für bare Münze genommen werden können. Wenn ich in zwei Jahren meine Bachelor Arbeit in dieser Form abgebe, kann ich mir die Eins – in der Schweiz wohlgemerkt die schlechteste Note – auch gleich selber ins Zeugnis schreiben.

In einem Hintergrundbericht beleuchten sie ausserdem, was sich hinter den Fassaden der Diätindustrie zum Teil so abspielt und kommen dabei zu erschreckenden Ergebnissen. „Wissenschaftliche“ Studien zur Wirkung von Diäten werden oft direkt von der jeweiligen Firma produziert und die Mitglieder von Gremien, welche Richtlinien zur Adipositasbekämpfung herausbringen, sind finanziell am Erfolg von den propagierten Diäten beteiligt.Der Erfinder der bekannten Dukan-Diät sagt sogar vor laufender Kamera, es interessiere ihn nicht, ob seine Ernährungsweise langfristig etwas bringe. Für ihn sei nur wichtig, dass die Leute damit schnell abnehmen.

Immer wieder gibt es neue Diät-Trends, die sich dann in jeder Zeitschrift wiederfinden. Doch wer versteht überhaupt, was hinter dem Prinzip low carb steckt oder warum es kein Wunder ist, dass man bei der Werwolf Diät (ja, die heisst echt so) in 24 Stunden bei Vollmond zwei Kilo (würde auch in allen anderen Mondphasen funktionieren, aber dann ist es nicht so sexy und klingt weniger schlau) abnimmt, wenn man nur Wasser und Saft trinkt. Interessant fand ich übrigens auch, dass das französische Wort für Diät „Regime“ lautet.

Forschungsmethoden und Statistik sind mühsame Fächer und ich werde sie nie mögen, aber inzwischen weiss ich wenigstens, dass ein gewisses Hintergrundwissen über die Durchführung von Studien helfen kann, die Qualität von Publikationen zumindest oberflächlich zu überprüfen.

Studiumsgeschichten

Früh übt sich, wer ein Bachelor sein will

Fachhochschulen werden zuweilen etwas belächelt und die Qualität der Lehre sowie die Anforderungen an die Studierenden gemeinhin eher unterschätzt. Das ging mir lange genauso. Nach dem Gymnasium war es für mich gar nie wirklich ein Thema, an einer Fachhochschule zu studieren. Bei Informationsveranstaltungen war immer nur von den Universitäten und der ETH die Rede und ich wollte ja schliesslich einen guten Abschluss in irgendwas machen. Noch bevor ich im September das Studium in Bern begann, dachte ich, ich würde da dann eine relativ ruhige Kugel schieben. Bereits nach den ersten zwei Wochen musste ich feststellen, dass dem nicht so ist und das ist auch gut so.

Nun, wer sich später Bachelor of Science (BSc) schimpfen will, muss auch an der Fachhochschule seine Federn lassen. Ganz vorne auf der Beliebtheitsskala ist das Modul Wissenschaftliches Arbeiten. Im konkreten Fall der Kompetenznachweis in Form einer Literaturrecherche über die Wirkung von Magnesiumsupplementen auf Muskelkrämpfe. Ein Heidenspass!

Die Anleitung zum korrekten Zitieren ist 28 Seiten lang und ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich dabei um eine Kurzversion handelt. Als Quelle darf bitteschön nur Primärliteratur aus renomierten Zeitschriften verwendet werden. Je länger die Liste der Referenzen, desto hochwertiger scheint die Arbeit. Die Beherrschung dieser Regeln gehört zum Grundlagenwissen eines jeden wissenschaftlich ausgebildeten Menschen und ist Voraussetzung dafür, dass man sich irgendwann mit dem Titel BSc schmücken darf. Ganz zu schweigen davon, was man alles tun muss, um es irgendwann noch zum Master oder gar zum Doktor zu schaffen.

Da ich ein bisschen im Zugzwang bin und in letzter Zeit viel unterwegs war, habe ich einige Male in öffentlichen Räumen an meiner Arbeit geschrieben. Die Gesichtsausdrücke derer, die das Mühsal aus eigener Erfahrung kennen, waren jeweils sehr amüsant. „Lieber Sie als ich.“ Das motiviert zwar nicht unbedingt, aber das Mitleid der anderen kann zuweilen Seelenbalsam sein.